Berlin, München, im Juni 2014
Schwangerschaft – die 40 wichtigsten Wochen im Leben durch fetale Programmierung?!
Schwangerschaft, Geburt und die unmittelbare Zeit danach sind die kritischsten Zeiten im Leben eines Menschen im Hinblick auf die spätere Gesundheit oder Krankheitsdisposition. Zunehmend stellt sich die Frage nach der fetalen Programmierung in Bezug auf Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Adipositas. Ein wachsendes Forschungsfeld beschäftigt sich mit der Frage, wie das intrauterine (=innerhalb der Gebärmutter) Milieu während der Schwangerschaft den Fötus nicht nur in seiner aktuellen Entwicklung, sondern auch die spätere Gesundheitsentwicklung beeinflusst. Professor Holger Stepan, Leiter der Abteilung für Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Leipzig, sieht dies als eines der derzeit spannendsten Entwicklungsfelder.
„Zu wissen, wie wichtig diese Prägung für das spätere Leben ist und dass nicht nur die Zeit vor und kurz nach der Schwangerschaft, Krankheitsdispositionen festlegt, sondern Prägungen auch über Generationen vererbt werden, verändert den Blick auf diese Phase.“, so der Pränatal- und Geburtsmediziner Stepan. „Neben der Ernährung spielen auch die emotionale Befindlichkeit der Mutter und die Art der Geburt eine Rolle.“, betont er. Verschiedene metabolische und andere pränatale Einflüsse vor und kurz nach der Geburt prägen stärker als bisher angenommen die Empfänglichkeit für spätere Krankheiten. Die sogenannten epigenetischen Veränderungen oder die fetale Programmierung sind verantwortlich für diese langfristige Prägung. Epigenetisch sind alle Prozesse in einer Zelle, die als „zusätzlich“ zu den Inhalten und Vorgängen der Genetik gelten. Als epigenetische Einflussfaktoren gelten z.B. Umwelt- oder Stressfaktoren.
Bezogen auf das intrauterine Milieu bedeutet dies, dass je nach dem „Nahrungsangebot“ wie Substratmangel oder -überangebot, sich der Fetus anpasst um zu überleben. Diese zunächst sinnvolle Anpassung umfasst unter anderem Gewebeveränderungen insulin-sensitiver Organe, Veränderungen am Hypothalamus und die Verstellung neuro-endokriner Regelkreise. Die Programmierung erfolgt in der Annahme eines ebenso gestalteten späteren extrauterinen Milieus. Das Problem entsteht dann, wenn das Leben außerhalb der Gebärmutter durch ein normales Substratangebot gekennzeichnet ist und die Programmierung aber bestehen bleibt. Diese wird dann zur Fehlprogrammierung und führt zu einer erhöhten Krankheitsdisposition. Allerdings gibt es auch Studienergebnisse, die nicht auf die intrauterine Mangelernährung, sondern auf die Bedeutung von unmittelbarer postnataler Überernährung als Trigger für späteres, fixiertes Übergewicht hinweisen. Offensichtlich fällt die Ernährung unmittelbar nach der Geburt in eine besonders vulnerable und kritische Phase der Festlegung von Sättigungsverhalten, neuro-humoraler Regulation des Metabolismus etc.
Diese Erkenntnisse führten letztlich auch zu dem Schluss, dass Stillen die mit Abstand beste Form der Ernährung des Neugeborenen darstellt und einen protektiven Effekt z.B. in Bezug auf spätere Adipositas hat. Eine nähere Erforschung dieser Zusammenhänge wird die Prävention verändern und verbessern.
Diese und weitere Themen werden auf dem 60. DGGG-Kongress vom 8.-11. Oktober 2014 in München diskutiert. Der DGGG-Kongress ist der größte deutschsprachige gynäkologisch-geburtshilfliche Fachkongress. Über 400 Referenten und ca. 4.500 Teilnehmer diskutieren in rund 100 wissenschaftlichen Symposien und 33 Kursen den aktuellen Stand in Wissenschaft, Diagnostik und Therapie aus den Gebieten der gynäkologischen Onkologie, der allgemeinen, operativen und Urogynäkologie, der Pränatal- und Geburtsmedizin und der Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Mehr zum Kongressprogramm erfahren Sie unter www.dggg2014.de
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