Berlin, im Januar 2002
PID Berlin
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) zur Präimplantationsdiagnostik bei der Expertenanhörung vor dem Gesundheits- und Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages
Die Position der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) zur Präimplantationsdiagnostik (PID) ist gekennzeichnet durch zwei wesentliche Voraussetzungen: Zum einen durch die Rolle als primäre Ansprechpartner für Paare mit dem Problem, dass bei ihnen aufgrund eigener Erfahrungen und Erlebnisse eine belastende Realisation einer familiären Disposition aufgrund genetischer Faktoren zu einer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung eintreten kann; zum anderen durch das besondere Privileg, die gesamte Spanne menschlichen Lebens von der reproduktionsmedizinischen Förderung der Entstehung, also von der allerersten Phase, über die intrauterine Existenz, die verschiedenen Lebensphasen der Frau bis zur Sterbebegleitung am Lebensende - etwa bei Tumorkranken - ständig vor Augen zu haben. Unter diesen Bedingungen spricht sich die DGGG für eine Zulassung und gesetzliche Regelung der PID in Deutschland unter strengen Auflagen aus.
Diese Position ergibt sich aus vielfältigen und langen Diskussionen unter Einbeziehung des unmittelbaren Fachwissens und der Beiträge aus Rechtswissenschaft, Theologie, Ethik und insbesondere der Betroffenen mit unterschiedlicher Sichtweise. Wir glauben, dass dringender Handlungsbedarf besteht, danach durchaus relevanter Meinung die PID nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) aus dem Jahre 1990 nicht grundsätzlich verboten ist und möglicherweise Fakten geschaffen werden könnten, die über maßvolle Regelungen hinausgehen und später schwierig zu korrigieren und zu kontrollieren sein dürften.
Das Diskussionspapier des wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer, an dem namhafte Vertreter der DGGG mitgewirkt haben, stellt aus unserer Sicht eine ausgewogene Basis dar. Aus ihm geht eindeutig hervor, dass das ESchG nicht abgeschafft, sondern an neue Entwicklungen angepasst und Lücken geschlossen werden sollen, - dass absolute Priorität der Autonomie des Paares eingeräumt wird, - dass durch die Vorbedingung der in vitro-Fertilisation (IVF) keine unterstellte Massenanwendung und Eugenik droht und - dass der betroffenen Frau die physisch und psychisch unvergleichlich größere Belastung einer Schwangerschaft auf Probe und der Abbruch einer weiter fortgeschrittenen Schwangerschaft erspart wird. Wir erachten eine umfassende Beratung über alle relevanten Zusammenhänge wie psychische und soziale Auswirkung der Alternativen: Verzicht auf Kinder und Adoption, als integralen Bestandteil der Betreuung entsprechender Paare.
Die Grundmerkmale der Aufklärung sollten die selben wie bei Beratungsgesprächen im Zusammenhang mit dem Wunsch nach Schwangerschaftsabbruch sein: nicht bevormundend und zum Leben ermutigend. Wir halten es für problematisch, dass Paare, die eine reifliche Abwägung zugunsten der PID vorgenommen haben, dieser Weg verwehrt wird, und dass ihnen die Optionen Kinderlosigkeit und Adoption, Schwangerschaft auf Probe und Ausland angeboten werden müssen. Diese Lage ist aus unserer Ansicht auch ein ethisches Dilemma, und es ist für mich eine bizarre Perspektive, dass Embryonen deutscher Eltern in ausländischen Zentren weitergehenden Überprüfungen wie etwa dem genetischen Screening unterzogen werden, die nach dem Diskussionspapier des wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer in Deutschland nicht zugelassen würden. Gestatten Sie mir zwei Bemerkungen zur Schnittstelle zwischen Politik und Frauenheilkunde zum Schluss: Viele Gebiete der Medizin, besonders aber die Frauenheilkunde mit der häufigen Abwägung zwischen Schwangerer und Embryo bzw. Fet sind ohne ethische Konflikte und auch Schuld nicht vorstellbar. Wir nehmen diese Last auf uns und versuchen, damit bestmöglich umzugehen.
Eine Suche nach der ethisch idealen, konfliktfreien Lösung wird nicht erfolgreich sein. Damit hängt der andere Punkt zusammen: Wir denken, dass genügend diskutiert worden ist. Man kann ein Problem nicht nur aussitzen, sondern durch Diskussion ohne neue Gesichtspunkte auch ersticken. Wir müssen in Deutschland in Anbetracht fast ständig zu erwartender technologischer Innovationen ein Konzept entwickeln, nach dem neue Herausforderungen aus der biotechnologischen Forschung sinnvoll in den gesellschaftlichen Entwicklungsprozess integriert werden können.
Pressestelle
Sara Schönborn | Heiko Hohenhaus | Katja Mader
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