Berlin, im Mai 2007
Mehrlingsreduktion durch Fetozid vermeiden
In Folge fortpflanzungsmedizinischer Tätigkeit bei sterilen Paaren in Verbindung mit assistierenden Reproduktionstechniken (ART) liegt die Rate von Mehrlingsschwangerschaften über dem 20-fachen gegenüber denen bei natürlicher Empfängnis. Laut dem Deutschen IVF (In-Vitro-Fertilisation)-Register (DIR) gab es 2004 8.036 Geburten nach ART, davon waren 1.567 (ca. 19,5%) Zwillinge, 80 (ca.1%) Drillinge. In anderen Ländern, in denen es kein Embryonenschutzgesetz gibt, finden sich vergleichsweise höhere Mehrlingsraten wie z.B. in den USA (2000) 30,6 % Zwillinge und 14,6 % Drillinge und Vierlinge.
Gesundheit für Mutter und Kind
Eine Mehrlingsschwangerschaft insbesondere eine Schwangerschaft mit 3 oder mehr Feten bedeutet ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko, Wachstumsretardierung und vermehrte Morbidität der Frühgeborenen.
Mit zunehmender Schwangerschaftsdauer steigen die Gefahren für die werdende Mutter wie psychische und physische Dekompensation, Präeklampsie, vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitiger Blasensprung, vorzeitige Muttermundöffnung.
Die Mehrlingsschwangerschaften benötigen dabei eine engmaschige Betreuung und Überwachung während der Schwangerschaft und der Geburt.
Fetozid
Aus medizinischen Gründen kann es angezeigt sein, eine Reduktion von Embryonen oder Feten vorzunehmen, d.h. einen Feten selektiv (nach Pränataldiagnostik) oder unselektiv durch einen Fetozid abzutöten. Im Jahr 2004 wurden 222 Fetozide nach ART durchgeführt.
Die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht der DGGG verweist in ihrer Stellungnahme "Fetozid bei Mehrlingen - Stellungnahme aus rechtlicher Sicht" v. 28.4.2006 ausdrücklich darauf hin, dass es nach §218 a Abs.2 StGB nur eine medizinische Indikation im Hinblick auf die Gesundheit der werdenden Mutter gibt. Die medizinische Indikation unterliegt keinerlei zeitlicher Beschränkung. Eine Rechtfertigung für einen Abbruch oder Teilabbruch aufgrund von Fehlbildungen des Kindes gibt es seit der Reform des §218 (1995) nicht mehr.
Fetozid vermeiden
"Es gibt in der Fortpflanzungsmedizin geeignete Verfahren, durch die eine Mehrlingsschwangerschaft weitestgehend vermieden werden kann. Ihre Anwendung würde viele Fetozide überflüssig machen", so Prof. Walter Jonat, Präsident der DGGG. Er verweist auf die gängige Praxis in den skandinavischen Ländern, wo nach morphologischer Betrachtung nur ein oder höchstens zwei Embryonen für den Transfer in die Gebärmutter ausgewählt werden, mit dem Ergebnis einer besseren Gesundheit der schwangeren Frauen und ihrer Kinder bei gleichzeitiger höherer Schwangerschaftsrate. Fetozide sind dort nicht notwendig.
Die DGGG fordert die Weiterentwicklung des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz, welches die Erkenntnisse der modernen Fortpflanzungsmedizin aufgreift, und den Wertungswiderspruch auflöst, einerseits den Embryo vor Beginn der Schwangerschaft (in vitro) umfassend zu schützen, andererseits jedoch nach der Einnistung (in vivo) den Lebensschutz zu relativieren, in dem ein späterer Schwangerschaftsabbruch billigend in Kauf genommen wird.
Begriffserklärung Fetozid bei Mehrlingen
Beim Teilabbruch bei Mehrlingen kommen die ultraschallgesteuerte Kardiozentese mit intrakardialer Injektionvon Kaliumchlorid oder Luft zur Anwendung. Der verstorbene Fet wird bei der Geburt der verbleibenen Kinder mit ausgestoßen.
Für Rückfragen erreichen Sie:
Prof. Dr. Walter Jonat
Präsident DGGG
Universitätskrankenhaus Kiel
T. (0431) 597 2040
Prof. Dr. Klaus Diedrich
Leiter der Arbeitsgruppe Fortpflanzungsmedizin in der DGGG
Universitätskrankenhaus Lübeck
T. (0451) 500 6374
Prof. Dr. Hermann Hepp
Wiss. Beirat der Bundesärztekammer
T. (08143) 95268
Abdruck honorarfrei, Belegexemplar erbeten
Pressestelle
Sara Schönborn | Heiko Hohenhaus | Katja Mader
Pressestelle Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V.
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