Leitlinie zu Diagnostik und Therapie von geburtsbedingten Blutungen ist überarbeitet

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) hat die S2k-Leitlinie Peripartale Blutungen, Diagnostik und Therapie herausgegeben. Es handelt sich um eine vollständig neue Überarbeitung der Vorgängerversion aus dem Jahr 2016.

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Das Schulen des geburtshilflichen Personals und das Erstellen von Leitlinien bzw. Managementalgorithmen sowie ein unmittelbares leitliniengerechtes Handeln liefern einen entscheidenden Beitrag zur Senkung der Häufigkeit, Morbidität und Mortalität peripartaler Blutungskomplikationen.

Berlin, im September 2022 – Die postpartale Blutung (PPH), also eine mütterliche Blutung nach der Geburt, zählt mit einer Prävalenz von 0,5 bis 1,9 % zu den Hauptursachen der Müttersterblichkeit – auch in der westlichen Welt. Sie stellt eine Notfallsituation dar, die eine rasche Entscheidung und v.a. eine exakte Diagnose und Ursachenanalyse notwendig macht, um die korrekten therapeutischen Maßnahmen in interdisziplinärer Zusammenarbeit rechtzeitig einzuleiten.

Im Deutschsprachigen Raum wird die PPH als ein Blutverlust von ≥ 500 ml (nach vaginaler Geburt) bzw. von ≥ 1000 ml nach Sectio caesarea definiert. Unabhängig vom sichtbaren Blutverlust muss bei klinischen Zeichen eines hämorrhagischen Schocks (Schock-Index (HF / RRsys) > 0,9) von einer PPH ausgegangen werden.

Durch das Erkennen vorgeburtlicher Risikofaktoren können vorbeugend Maßnahmen eingeleitet werden. Das Schulen des geburtshilflichen Personals und das Erstellen von Leitlinien bzw. Managementalgorithmen sowie ein unmittelbares leitliniengerechtes Handeln liefern einen entscheidenden Beitrag zur Senkung der Häufigkeit, Morbidität und Mortalität peripartaler Blutungskomplikationen.

Aufgrund der vorhandenen Datenlage lassen sich für nahezu alle Schritte in der Therapie der PPH zum jetzigen Zeitpunkt wenige evidenzbasierten Empfehlungen ableiten, weshalb es sich hier um eine S2k-Leitlinie handelt. PD Dr. med. Dietmar Schlembach hat die Leitlinie für die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) koordiniert:

„Verschiedene Ursachen, insbesondere mangelnde Kontraktion der Gebärmutter, aber auch Traumata, Plazenta- oder Gerinnungsprobleme, können – ggf. in Kombination – zu einer PPH führen. Es freut mich, dass es in den letzten Jahren gelungen ist, in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären und interprofessionellen Team von ExpertInnen verschiedener Fachgesellschaften, durch die Erstellung einer Leitlinie mit Handlungsalgorithmus das Management der Notfallsituation „PPH“ zu verbessern.“

PD Dr. med. Dietmar Schlembach (Berlin), DGGG-Leitlinienkoordinator

Risikostratifizierung und Prävention

Exakte Anamnese, Ultraschalldiagnostik, Einschätzung eines Blutungsrisikos, präpartale Vorstellung in der Geburtsklinik sowie die rechtzeitige Vorbereitung auf einen erhöhten Blutverlust helfen das Risiko für eine PPH und deren Folgen auf die mütterliche Morbidität und Mortalität zu reduzieren.

Insbesondere Schwangere mit Risikofaktoren für eine Plazentationsstörung sollten frühzeitig von Spezialisten untersucht werden, erhärtet sich der Verdacht, wird die frühzeitige Vorstellung in in einer Geburtsklinik mit geeigneter Organisationsstruktur und Versorgung durch ein interdisziplinäres Team mit größtmöglicher Expertise empfohlen.

Prophylaktische Gabe kontraktionsfördernder Medikamente in der Plazentaperiode reduziert Blutungen nach der Geburt

Zudem weisen die AutorInnen darauf hin, dass verstärkte Nachblutungen in der Regel ohne Vorboten beziehungsweise Risikofaktoren aufträten. Eine engmaschige Überwachung nach der Geburt ist die Basis für eine frühzeitige Entdeckung. Zudem, so lautet eine weitere Empfehlung, sollte die „aktive Leitung der Plazentaperiode“ nach vorgeburtlicher Aufklärung bei jeder Geburt durchgeführt werden. Das verringert nachweislich das PPH-Risiko um bis zu 66 %. Entscheidende Maßnahme im Rahmen der aktiven Leitung der Plazentaperiode bleibe die prophylaktische Gabe von kontraktionsfördernden Medikamenten, sogenannter Uterotonika. Grundsätzlich verhindert deren Einsatz in der Plazentaperiode ca. 50-70% der verstärkten postpartalen Blutungen und reduziert die Notwendigkeit der therapeutischen Anwendung von Uterotonika um ca. 50%, wobei die medikamentösen Empfehlungen sowohl für die vaginale Geburt gelten als auch für den Kaiserschnitt.

Komplett überarbeiteter Behandlungsalgorithmus „PPH 2022“

In weiteren Kapiteln beleuchtet die Leitlinie unter anderem medikamentöse Maßnahmen zur Behandlung, Uterustamponade, operative Maßnahmen, interventionell-radiologische Maßnahmen, Hämostase und Gerinnungsmanagement sowie dem Transport im Rahmen des Schnittstellenmanagements zwischen Kliniken als auch der außerklinischen und der klinischen Geburtshilfe und fasst diese in einem Algorithmus „PPH 2022“ übersichtlich und schnell verfügbar zusammen.

Verständliche Kommunikation im Sinne der Patientensicherheit

Mit Blick auf die Patientinnensicherheit und im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung soll die Gebärende/Wöchnerin und ihre Begleitung möglichst von Beginn an in verständlicher Weise über die Blutung und das Vorgehen informiert werden. Zudem schlagen die AutorInnen vor, dass eine Person aus dem beteiligten geburtshilflichen Team mit der Frau und ihrer Begleitung ein strukturiertes Nachgespräch führt.

Zusammengefasst verfolgt die vorliegende Empfehlung die Prävention und die rechtzeitige Therapie klinisch relevanter postpartaler Blutungen zur Senkung der mütterlichen Morbidität und Mortalität. Dank dieser neuen Leitlinie sollen betroffene Patientinnen besser versorgt sowie Probleme im Management dieses Phänomens reduziert werden. Die Empfehlung richtet sich an FrauenärztInnen, AnästhesistInnen, IntensivmedizinerInnen, GerinnungsspezialistInnen, LabormedizinerInnen, Hebammen und das Pflegepersonal im OP und auf der Wochenstation sowie interessierte PatientInnenkreise. An der Erstellung der 183-seitigen Handlungsempfehlung waren neben der DGGG e.V. insgesamt 14 Fachgesellschaften beteiligt.

Hier finden Sie die vollständige Leitlinie.

Leitlinien sind Handlungsempfehlungen. Sie sind rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung.

 

 

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