Gesetzentwurf zum Schwangerschaftsabbruch birgt Haftungsrisiken für Ärztinnen und Ärzte

Ein im Spätherbst 2024 in den Bundestag eingebrachter Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs birgt aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) Risiken für die ärztliche Beratung. Im Kern geht es um die im Entwurf vorgeschlagene Ausweitung der Nötigungsstrafbarkeit. Ein juristisches Gutachten stützt die Einschätzung der DGGG, dass mit der Gesetzesänderung Rechtsunsicherheit für Ärztinnen und Ärzte entstehen würde.

Ein juristisches Gutachten unterstreicht die gravierende Rechtsunsicherheit, die  mit der Gesetzesänderung einhergeht.Andrey Popov/stock.adobe.com
Ein Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs sorgt für Rechtsunsicherheit für die an Beratung und Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs beteiligten Professionen.

Berlin, im Januar 2025 – Im November 2024 haben zahlreiche Abgeordnete aus dem Deutschen Bundestag einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland vorgelegt.1

Die Voraussetzungen zur Durchführung eines rechtmäßigen Abbruchs der Schwangerschaft sollen nicht mehr im Strafgesetzbuch, sondern im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Die Beratungspflicht bliebe bestehen.

Während der Schwangerschaftsabbruch im neuen Gesetzentwurf also im Grundsatz eine Entkriminalisierung erfahren soll, wird an einer Stelle eine Strafverschärfung gefordert: Durch eine Änderung des §240 soll künftig die „Nötigung zum Unterlassen eines Schwangerschaftsabbruches“ strafrechtlich verfolgt werden. Zur umfassenden Sicherstellung der Freiheit der Willensbildung sei auch die Nötigung, einen Abbruch zu unterlassen, strafrechtlich zu regeln.

Hierdurch entsteht aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. eine gravierende Rechtsunsicherheit für die an Beratung und Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs beteiligten Professionen.

Konkret stellt sich die Frage, inwieweit das Verhalten und das Beratungsgespräch durch Ärzte und andere beruflich Beteiligte im Einzelfall als Nötigung zum Unterlassen eines Schwangerschaftsabbruches interpretiert werden kann. Dazu zählen Beratungsinhalte wie z.B. Hinweise auf verfügbare Hilfsangebote bei Fortführung der Schwangerschaft oder das Aufzeigen von medizinischen Nachteilen und Komplikationsrisiken bei Durchführung des Abbruchs, ferner auch die Darlegung von Gründen, warum organisatorische Widrigkeiten einer umgehenden Umsetzung des Begehrens nach einem Schwangerschaftsabbruch entgegenstehen.

Abbildung 1: Ausschnitt aus dem Gesetzentwurf 
(links: Geltendes Recht; rechts Formulierung für eine Neuregelung)

Durch die im Gesetzentwurf unklare Definition des Begriffs Nötigung besteht das Risiko, dass auch die objektive und unvoreingenommene Darstellung von unterschiedlichen Sicht- und Herangehensweisen als Nötigung interpretiert und damit strafbewehrt sein kann. Die unvoreingenommene Darstellung von unterschiedlichen Sicht- und Herangehensweisen ist aber die Basis jeder objektiven Informationsübermittlung und für eine informierte Entscheidungsfindung unerlässlich. In Folge einer entsprechenden Umsetzung des Entwurfs in geltendes Recht ist zu befürchten, dass Ärztinnen und Ärzte und andere am Beratungsprozess Beteiligte etwa aus Sorge vor Behauptungen von Schwangeren, zur Aufrechterhaltung ihrer Schwangerschaft genötigt worden zu sein, keine vollumfängliche, ergebnisoffene Beratung mehr durchführen werden.

Rechtsgutachten betont Widerspruch zur Inanspruchnahme der „Verhältnismäßigkeit“ staatlichen Strafens an anderer Stelle

Daher hat die DGGG ein juristisches Gutachten zu dieser Frage in Auftrag gegeben. Dem Gutachten zufolge handelt es sich bei dem Vorschlag zur Erweiterung des § 240 StGB um eine sachlich nicht gerechtfertigte „Sonderregelung“, die zu einer generell unkalkulierbaren Ausweitung der Strafbarkeit wegen Nötigung durch gleichzeitige Unanwendbarkeit auch der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB führen würde. Warum innerhalb des Gesamtfeldes von Nötigungen in Tateinheit mit (ggf. auch bloß versuchter bzw. nur fahrlässiger) Gesundheitsschädigung das Beispiel einer erzwungenen Aufrechterhaltung der Schwangerschaft der Einzige sein soll, der eine Strafschärfung rechtfertigt, sei unerklärlich. Der Vorschlag stehe – bezogen auf den Schwangerschaftsabbruch – in bemerkenswertem Widerspruch zur Inanspruchnahme der „Verhältnismäßigkeit“ staatlichen Strafens an anderer Stelle.

Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe appelliert daher entsprechend, keine Erweiterung des §240 (4) vorzunehmen.

Das Gutachten ist in voller Länge hier nachzulesen.

Quellen:

1 https://dserver.bundestag.de/btd/20/137/2013775.pdf

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