Berlin, im Juni 2003
Ärzte fordern mehr Ehrlichkeit beim Schwangerschaftsabbruch; Ergebnisse der Fachtagung - Reform der Pränataldiagnostik - Forderungen an die Medizin und an den Gesetzgeber
Auf einer gemeinsamen Fachtagung am 24. Juni in Berlin unter Vorsitz von Prof. Klaus Diedrich, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und Dr. Ursula Auerswald, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer (BÄK) präsentierte die DGGG ihr Positionspapier "Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik". "Das Papier stellt quasi eine Weiterentwicklung der ‚Erklärung zum Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik (PND) der BÄK von 1998 dar", begründete Ursula Auerswald zu Beginn der Veranstaltung die Unterstützung der BÄK zu dem Papier. Es setzt sich mit der Praxis der medizinischen Indikation beim Schwangerschaftsabbruch auseinander unter dem besonderen Aspekt des Abbruchs bei Lebensfähigkeit des Kindes.
Mit zahlreichen Vertretern aus Gesellschaft, Politik und Wissenschaft wurde der §218, die medizinische Indikation, der gegenwärtige Stand der PND, die statistische Erfassung und die gesellschaftliche Bedeutung des §218 lebhaft diskutiert.
Forderungen an die Medizin
Rosemarie Wetscher, Redakteurin bei der Zeitschrift Eltern, berichtete, dass etwa 50 Prozent der Leserinnen sich durch ihren Gynäkologen bei der PND nicht ausreichend beraten fühlen. "Die DGGG hat diese Problematik erkannt und kann eine Antwort zumindest auf den Teil der Veranstaltung, der sich mit den Forderungen an die Medizin befasst, geben" resümierte Klaus Diedrich, das Ergebnis der Arbeitsgruppe der DGGG:
Die Beratung und Betreuung der Schwangeren bei PND muss insgesamt von ärztlicher Seite verbessert werden.
Die Qualität der Beratung muss durch Qualifikation geregelt sein. Hier hat gerade im Mai der Deutsche Ärztetag die gynäkologische Weiterbildungsordnung gestärkt.
Alle Maßnahmen der PND bedürfen der eindeutigen Zustimmung (informed consent) der Schwangeren.
Die fürsorgliche Betreuung der Schwangeren von der Indikation bis zum möglichen Schwangerschaftsabbruch ist Aufgabe des Arztes.
Es sollte i.d.R. eine Bedenkzeit zwischen dem Entschluss zu einem Schwangerschaftsabbruch und der Durchführung eingehalten werden. So kann ein Trauerprozess erfolgen.
In besonders schweren Fällen (ca. 300 p./J.) soll eine Kommission zeitnah eine Empfehlung geben. Das erweitert den Horizont der Schwangeren und des betreuenden Arztes und gibt Stärke bei dem Tragen der Entscheidung.
Die Qualität der PND muss verbessert werden, um der Schwangeren mehr Sicherheit zu geben. Spätabbrüche bei Lebensfähigkeit des Kindes sollen dadurch minimiert werden.
Forderungen an den Gesetzgeber
Bei den Forderungen an die Politik zeigte sich eindeutig, dass die statistische Erfassung der Schwangerschaftsabbrüche derzeit unzureichend ist:
- Die Angabe des Schwangerschaftsalters nach 13 Schwangerschaftswochen (SSW) ist undifferenziert. So gibt es nur eine Erfassung von 13-22 SSW und nach 23 SSW.
- Die Indikationsgrundlagen z.B. fetale Erkrankungen werden nicht erfasst.
- Die Methode des Schwangerschaftsabbruchs ist unvollständig. Es erfolgen keine Angaben zum Fetocid.
- Die Befundsicherung ist nicht festgeschrieben.
Bei der gesellschaftlichen Debatte zum Schwangerschaftsabbruch forderten Diedrich und Auerswald gemeinsam mehr Ehrlichkeit und eine offene Diskussion der erneuten Aufnahme der embryopathischen Indikation in den §218. "Vieles bleibt im Dunkeln", so Ursula Auerswald, "das subsumieren der embryopathischen Indikation in die medizinische Indikation bei der Reform des §218 im Jahre 1995 hat fehlgebildeten Feten nicht mehr Lebensschutz gebracht. Nach wie vor gibt es - jetzt mit der Begründung der medizinischen Indikation - Abtreibungen behinderter Kinder."
Ob die Politik allerdings dieses Paket des §218 erneut aufschnüren wird, bezweifelte Prof. Edzard Schmidt-Jortzig, ehemaliger Bundesjustizminister und Mitglied der ergebnislos tagenden, interfraktionellen Arbeitsgruppe zum Schwangerschaftsabbruch des letzten Bundestages.
Ulrike Riedel, Mitglied der Enquete-Kommission ‚Ethik und Recht, des Deutschen Bundestages ist da anderer Meinung. "Im Herbst wird das Ministerium für Gesundheit und Soziales einen Referentenentwurf zu einem GentestGesetz vorlegen, in welchem auch die vorgeburtliche genetische Diagnostik geregelt werden soll. Damit wird zwangsläufig auch die Praxis der Pränataldiagnostik auf der Tagesordnung stehen."
"Es sieht so aus, dass die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe mit ihren differenzierten Vorschlägen gerade zur richtigen Zeit erfolgt. Wir wollen den gesellschaftlichen Diskussionsprozess konstruktiv begleiten", so Klaus Diedrich abschließend
Für Anfragen stehen zur Verfügung:
Prof. Klaus Diedrich (Tel. 0451/500-2133)
Dr. Ursula Auerswald (Tel. 0421/3404-230)
Pressestelle
Sara Schönborn | Heiko Hohenhaus | Katja Mader
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