Das historische Objekt im Fokus
„[…] das waren die Eigenschaften
der Sieboldschen Schule […]“
[…] die sorgfältige Beobachtung des natürlichen Verlaufs der physiologischen und pathologischen Hergänge, das unablässige Bemühen, die Tätigkeit des Arztes diesem erfahrungsmäßig gekannten natürlichen Verlaufe anzupassen, die fast pedantische Genauigkeit nicht nur des Krankenexamens, sondern auch der nach festen Regeln eingerichteten Krankenuntersuchung, die Entschiedenheit und Entschlossenheit des Eingreifens da, wo eine künstliche Abhilfe als unumgänglich notwendig erkannt war, – das waren die Eigenschaften der Sieboldschen Schule […].“
Mit diesen Worten rühmte Rudolf Virchow (1821-1902) Adam Elias von Siebold (1775-1828), den Autor des mehrbändigen „Handbuchs zur Erkenntniß und Heilung der Frauenzimmerkrankheiten“, das ab 1811 mehrere Auflagen erlebte. Als der Band der zweiten „sehr vermehrten Ausgabe“ 1823 (Abb.) erschien, war sein Verfasser bereits zum Professor der Geburtshilfe an der Berliner Universität avanciert, einem Amt, das er bis zu seinem frühen Tod ausübte. Begonnen hatte er das Handbuch an der Universität Würzburg, wo auch seine steile Karriere ihren Anfang genommen hatte: 1798 Promotion und [!] Habilitation, 1799 Extraordinarius sowie 1802 ordentlicher Professor. Drei Jahre später konnte er nach intensivem Bemühen die Entbindungsanstalt eröffnen, aus der die Würzburger Universitätsfrauenklinik hervorgegangen ist.
Elias von Siebold war Spross einer Familie, die im 18. und 19. Jahrhundert bedeutende Ärzte, Natur- und Japanforscher, Zoologen und einen k.u.k. Legationssekretär hervorbrachte. Sein Vater, Carl Caspar Siebold (1736-1807), 1801 durch Franz II., den letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, in den Reichsadelstand erhoben, hatte zwischen 1776 und 1807 als Professor für Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe die Medizinische Fakultät der Universität Würzburg zur Blüte gebracht; er gilt als einer der Pioniere der modernen Chirurgie im deutschsprachigen Raum. Da er Anfang des 19. Jahrhunderts nicht nur mit Elias, sondern mit weiteren Familienmitgliedern an der Medizinischen Fakultät Würzburg tätig war, sprach man gerne von der „Academia Sieboldiana“.
In der von ihm in Würzburg gegründeten Entbindungsanstalt bildete Adam Elias v. Siebold seine Schwägerin Regina Josepha v. Siebold (1771-1849) aus, die 1815 als erste Geburtshelferin in Deutschland eine Ehrendoktorwürde der Universität Gießen erhielt. Deren Tochter Charlotte Heidenreich v. Siebold (1788-1859) wiederum wurde 1817 in einem ordentlichen Verfahren in Gießen zur Doktorin der Geburtskunst promoviert. Nach seinem Wechsel nach Berlin habilitierte Adam Elias v. Siebold seinen Sohn Eduard Caspar (1801-1861), der später zunächst in Marburg (1828) und dann in Göttingen (1833) zum Ordinarius des Faches berufen wurde. Die unglückliche Liebe von Eduard Caspars Tochter Agathe (1835-1909), einer begabten Sängerin, zum jungen Johannes Brahms ging die in die Musikgeschichte ein. Die uneheliche Tochter von Philipp Franz v. Siebold (1796-1866, einem Neffen von Adam Elias, zunächst ebenfalls Arzt, später weithin bekannter Japanforscher, Ethnologe und Botaniker in niederländischen Diensten) mit einer Japanerin, Kusumoto Ine (1827-1903), war wohl die erste, nach westlichem Vorbild ausgebildete Gynäkologin Japans und Leibärztin der damaligen Japanischen Kaiserin.
Uwe Ulrich, W. Frobenius

Literatur
Virchow R. Gedächtnisrede auf Carl Mayer. Hirschwald: Berlin 1869
Fasbender H. Geschichte der Geburtshilfe. Nachdruck der Ausgabe Jena 1906. Olms: Hildesheim 1964
Ebert A, David M. Carl Wilhelm Mayer und die Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin. In: Andreas Ebert, Hans Karl Weitzel (Hrsg.). Die Berliner Geselllschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie. De Gruyter: Berlin, New York 1994, 11-24
Mettenleiter, Andreas (Hrsg.). Academia Sieboldiana. Eine Würzburger Familie schreibt Medizingeschichte. Akamedon: Pfaffenhofen 2010
Internet
Siebold-Museum, Deutsch-Japanisches Forum Würzburg: https://siebold-museum.byseum.de/de/geschichte/die-wuerzburger-siebold/adam-elias-von-siebold