Das historische Objekt im Fokus

Vor 100 Jahren: 
Die „Bremer Richtlinien“ brachten die Einführung der Bezeichnung „Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe“

Vor 100 Jahren tagte in Bremen der 43. Deutsche Ärztetag. Auf der Tagesordnung stand auch die Lösung der sog. Facharztfrage, eines schon lange schwelenden Konflikts zwischen Allgemeinpraktikern und „Spezialärzten“. Die Spezialisierung von Ärzten hatte sich, verbunden mit der wissenschaftlich-technischen Revolution, zunächst ungeregelt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Am 21. Juni 1924 verabschiedete die Bremer Versammlung nach längerer, teils kontroverser Diskussion die „Leitsätze zur Facharztfrage“, die als “Richtlinien“ beschlossen wurden und bald nur noch als „Bremer Richtlinien“ bezeichnet wurden. Diese wurden im „Aerztlichen Vereinsblatt für Deutschland. Organ des Deutschen Aerztevereinsbundes (E.V.)“, dem späteren „Deutschen Ärzteblatt“, im August 1924 veröffentlich (Abb.). Die „Leitsätze“ umfassten knapp zwei Seiten und waren in vier Abschnitte gegliedert. Es wurden u.a. 14 Fachrichtungen benannt, für die die Bezeichnung „Facharzt“ zukünftig in Frage kam. Die Nr. 2 dieser nicht alphabetischen Reihung war nach der Chirurgie die Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Fachärzte sollten jede Art der üblichen hausärztliche Tätigkeiten den praktischen Ärzten überlassen. Das Führen des Titels „Prakt. Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer“ wurde untersagt.

Aus den „Bremer Richtlinien“ gingen in der Bundesrepublik Deutschland die Weiterbildungsordnungen hervor, in denen heute vor allem die ärztliche Ausbildung in Klinik und Niederlassung geregelt ist. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat auf der Basis der Beschlüsse der Deutschen Ärztetage die Musterweiterbildungsordnung im November 2018 verabschiedet und im Juni 2024 zuletzt aktualisiert. 

Matthias David

Literatur

  1. Anonymus. Leitsätze zur Facharztfrage. Aerztliches Vereinsblatt für Deutschland 1924; 52, Nr. 1317, 11. August 1924, S. 261 – 264
  2. Hoppe JD. Die Weiterbildungsordnung. Von der Schilderordnung zum integralen Bestandteil der Bildung im Arztberuf. Dt Ärztebl 1997; 94: A-2483–2491
Abbildung: Ausriss aus den „Bremer Richtlinien“ (1)