Boldt, Hermann Johannes
geb. 24.06.1856, Neuentempel (Brandenburg)
gest.12.01.1943, St. Petersburg, Florida (USA)
Ehrenmitglied seit 1937
Familie
V; Hermann Julius Ludwig Boldt
M: Amalie Christiane Boldt, geb. Krüger
∞ 1891 Hedwig Krüger
Ausbildung
Public und High School in New York City, Studium der Pharmazie (Examen 1877) und der Medizin (Examen 1879) an der New York University
Akademische Karriere
1891 Professor of Gynecology (Post-Graduate Medical School New York City), 1917 emeritiert
Weiterbildung und berufliche Karriere
Mitbegründer und Arzt an der „German Poliklinik“ und am St. Mark´s Hospital in New York City; dort auch Consulting Gynecologist an anderen Kliniken der Stadt (u. a. Stuyvesant Polyclinic [sic] Hospital, Beth Israel Medical Center); Ruhestand ab 1929
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
Mitglied ab 1909
Vita
Hermann Johannes Boldt, Sohn deutscher Einwanderer in New York City (USA), zählt offensichtlich zu den besonders profilierten amerikanischen Gynäkologen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Er verbrachte zwar sein gesamtes Berufsleben in der Stadt am Hudson River, wo er zwischen 1891 und 1917 als Professor an der Post-Graduate Medical School lehrte, an der Gründung mehrerer medizinischer Einrichtungen beteiligt und bis zum Eintritt in den Ruhestand 1929 als Consultant großer Kliniken tätig war. Gleichzeitig pflegte er aber auch über viele Jahre in den Sommermonaten ungewöhnlich intensive wissenschaftliche Kontakte mit der europäischen Frauenheilkunde durch professional visits in führenden deutschen und österreichischen Kliniken, u. a. als Mitglied des American Gynecological Club. 1909 wurde er, der vielen US-amerikanischen und mehreren britischen Fachgesellschaften angehörte, auch Mitglied der seinerzeitigen DGG, die ihn 1937 zu ihrem Ehrenmitglied ernannte.
In einem Nachruf, der 1944 in den „Annals of Surgery“ erschien, wird Boldt als „Forscher zur physiologischen Aktivität von Kokain und als profilierter Autor zu allen Aspekten der Gynäkologie“ gewürdigt. Der Verfasser, Raymond P. Sullivan, lange Jahre einer der führenden Chirurgen in New York, hob neben vielen Artikeln in Fachzeitschriften vor allem Boldts Handbuchbeiträge hervor - so die Kapitel zu „Benign and Malignant Neoplasm of the Vulva and Vagina and of the Uterus“ in „Clincal Gynaecology“, das 1895 unter Mitwirkung führender amerikanischer Wissenschaftler in dem renommierten Fachverlag J.B. Lippincott publiziert wurde. Ferner habe Boldt zu der mehrbändigen „Enzyklopädie der Geburtshilfe und Gynäkologie“ beigetragen, die 1900 erstmals von dem DGG-Gründungsmitglied Max Sänger (1853-1903) herausgegeben wurde. Ein von Boldt entwickelter spezieller Operationstisch für die abdominale Chirurgie wurde auf der Pariser Weltausstellung von 1900 mit einem Preis ausgezeichnet.
Boldt war der erste US-Amerikaner, der zum Ehrenmitglied der DGG ernannt wurde. Bei seiner Wahl 1937 beim Berliner Kongress von Georg August Wagner könnte neben der Bedeutung von Boldt für das Fach und seiner Affinität speziell zur deutschen Frauenheilkunde auch die politische Einstellung des Lauraten eine Rolle gespielt haben. Aus einem Nachruf der „New York Times“ geht hervor, dass Boldt offenbar ein Anhänger Hitlers war und dem NS-Narrativ von der Auslösung des Zweiten Weltkriegs durch Polen folgte. Im Zusammenhang mit den Zwangssterilisationen wurde Boldt von der NS-Propaganda instrumentalisiert. Wie eine Ironie des Schicksals mutet an, dass Boldts einziger Sohn im Ersten Weltkrieg als amerikanischer Kriegsfreiwilliger in Frankreich im Kampf gegen die Deutschen fiel, Boldt selbst aber im Zweiten Weltkrieg durch den Nazi-Kollaborateur General Philippe Petain mit dem Croix de la Guerre ausgezeichnet wurde.
Publikationen (Auswahl)
- The Treatment of Suppurative Disease of the Uterine Appendages. The American Journal of Obstetrics and Diseases of Women and Children1889, 22 (3): 262. -Cavernous angioma of the uterus, with specimen, and remarks on the method of doing vaginal hysterectomy. The American Journal of Obstetrics and Diseases of Women and Children 1893; 28(6): 834. – Pelvic elevation in abdominal surgery, with a new transportable table for obtaining this posture. Medical Record1893; 43 (19): 580. - Myofibroma uteri. JAMA 1900; 35 (5): 275-277. – The treatment of gonorrhea in women. JAMA 1908; 50 (5): 330-335.
Gedruckte Quellen
Sullivan RP. Hermann Johannes Boldt: 1856-1943. Ann Surg 1944; 119(4):633-635. doi: 10.1097/00000658-194404000-00023. Anonymus. Dr. H.J. Boldt is Dead in Accident in South. Noted Gynecologist, 87, Victim of Gas Fumes From Heater. The New York Times 1943, Ausgabe vom 13. Januar. Anonymus. Hier spricht das Ausland. „Sterilisierung ist menschlicher.“ Rassenpolitische Auslands-Korrespondenz 1939; Nr. 1, S. 4. Eby, Michael W/D Longo L. Furthering the profession: the early years of the American Gynecological Club and its first European tours. Obstetrics Gynecology 2002, 99 (2): 308-315.
Internet
https://prabook.com/web/hermann_johannes.boldt/1110741
W. Frobenius