Alfieri, Emilio

geb. 13.12.1874, Mailand (Italien)
gest. 10.05.1948, Mailand (Italien)

Familie
V: Alfieri, Paolo
M: Cristina, geb. Dotti 
∞ 1905 Adelaide, geb. Caccia 

Ausbildung
Studium der Medizin und der Chirurgie in Pavia, ab 1894 als Zögling des dortigen Elite-Internates Almo Collegio Borromeo; 1898 Examen (Pavia)

Akademische Karriere
1902 Privatdozent (Parma); 1904 Dozent für Geburtshilfe und Chirurgie (Parma);1909 o. Prof. (Perugia); 1919 o. Prof. (Pavia); 1927 o. Prof. (Mailand); 01.11.1947 Emeritierung

Weiterbildung und berufliche Karriere
1898 Assistent der Gynäkologieprofessoren Luigi Mangiagalli (1850-1928) und Innocente Clivio (1862-1956) in Pavia bzw. Parma; in Pavia außerdem Schüler des Histopathologen Camillo Golgi (Nobelpreis 1906); 1908 Direktor des gynäkologisch-geburtshilflichen Instituts in Perugia; 1915-1918 Militärarzt und Frauenarzt in Cagliari; 1919-1927 Direktor der Universitätsfrauenklinik und Hebammenschule (Pavia); 1928-1948 Direktor der nach seinem Lehrer Mangiagalli benannten Frauenklinik der Regia Universität Mailand (über die Emeritierung hinaus bis zu seinem Tod)

Mitgliedschaft/Funktionen in der DGGG
1937 Ehrenmitglied

Vita
Emilio Alfieri, Schüler des berühmten Mailänder Gynäkologen und Politikers Luigi Mangiagalli (1850-1928) sowie des 1906 mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Histopathologen Camillo Golgi (1843-1926), zählt zu den bedeutenden italienischen Frauenärzten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Tätigkeit umfasste die Geburtshilfe im weitesten Sinne: Zur Verbesserung ihrer Ergebnisse setzte er nicht nur auf innovative medizinische Maßnahmen, sondern auch auf effektive soziale Hilfen bei der Betreuung von Frauen und ihren Kindern in der Schwangerschaft, bei der Geburt sowie im Wochenbett. Eine Zusammenfassung seiner vielen Publikationen dazu findet sich in dem Sammelband „Per la tutela della maternità e la difesa della stirpe. Scritti medico-sociali (1905-1939)“ [Für den Schutz der Mutterschaft und die Erhaltung der Rasse. Medizinisch-soziale Schriften (1905-1939)].

Während seines Direktorates in der Mailänder Universitätsfrauenklinik von 1928 bis 1948 führte Alfieri umfangreiche Renovierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen durch. So eröffnete er eine geburtshilflich-gynäkologische Ambulanz, in der 1931 schon 5000 Patientinnen betreut wurden. Zur Verbesserung der Versorgung der Neugeborenen bezog er zunehmend Ärzte der benachbarten Kinderklinik ein, sorgte für spezielle Untersuchungs- und Pflegeeinheiten und nahm schließlich einen Kinderarzt fest in das geburtshilflich Team auf. 1934 richtete er ein Zentrum zur Diagnostik und Therapie von Geschlechtskrankheiten ein, 1940 folgte eine analoge Institution zur Erforschung und Behandlung der Ehesterilität. 

Neben diesem Engagement war Alfieri auch in der gynäkologischen Onkologie aktiv. Er förderte die Früherkennung und die operative Behandlung von Uteruskarzinomen. Als in Mailand das staatliche Krebsinstitut „Vittorio Emanuele III“ gegründet wurde, gliederte er die gynäkologische Onkologie der Klinik in das Institut ein und übernahm dessen Leitung. 1942 publizierte er die Langzeitergebnisse der von ihm persönlich durchgeführten Hysterektomien nach der Technik von Wertheim. 

Bei all seinem sozialmedizinischen Engagement und seiner Aufgeschlossenheit gegenüber dem fachlichen Fortschritt war Alfieri ein entschiedener Gegner jeder Form von Geburtenkontrolle. Er lehnte alle Formen der Kontrazeption, Schwangerschaftsunterbrechungen sowie Sterilisationen kategorisch ab und war damit einer der eifrigsten Unterstützer der pronatalistischen Bevölkerungspolitik, die das faschistische italienische Regime unter Mussolini ab 1927 verfolgte. In diesem Zusammenhang ist auch seine Unterstützung der „Opera Nazionale Maternità e Infanzia“ (OMNI) zu sehen, die sich der Aufwertung der Mutterschaft „im Dienste der Zukunft der Rasse“ verschrieben hatte. 

Paola Zocchi, die sich intensiv mit Alfieri beschäftigt hat, beschreibt ihn als einen Gynäkologen, der sich einerseits einer ganzheitlichen, modernen und wissenschaftlich geprägten Frauenheilkunde verpflichtet fühlte. Andererseits sei er aber auch einer Ideologie zugeneigt gewesen, die Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillen als den „vollkommenen Sexualzyklus“ betrachtete. In Gegensatz dazu habe er den „unvollkommenen Sexualzyklus“ gestellt, der „das Endziel der genitalen Aktivität“, nämlich „die Erhaltung der Art“ nicht erreiche. 

Ausgewählte Publikationen
Per la tutela della maternità e la difesa della stirpe. Scritti medico-sociali (1905-1939). — Gravidanza bigemina monocoriale e monoamniotica, L. F. Cogliati: Mailand 1903. — La protezione della maternità di fronte al problema demografico. Maternità e infanzia 1930; 3: 281. Viana O, Vozza F, Alfieri E, Piccinini P, Pestalozza E & Ancarani AG (1933). L'ostetricia e la ginecologia in Italia. Società italiana di ostetricia e ginecologia. — Gli ormoni estrogeninella genesi die tumori. Florenz 1938. — I resultati a distanza della istero-annessectomia allargata alla Wertheim per la cura del cancro del collo uterino nella mia practica personale alla Clinica ostetrica e ginecologica della R. Universitá di Milano. Annali di obstetricia e ginecologia 1942; 3: 191-197.  — La ginecologia. Suo campo di studio e di azione. Suoi limiti e territori di confine. Annali di ostetricia e ginecologia 1948; 1:3-14.

Gedruckte Quellen
Zocchi, Paola. La Clinica ostetrico-ginecologica di Milano da Luigi Mangiagalli a Emilio Alfieri (1906-1948). In: Gian Paolo Brizzi (Hg.). Per una storia dell’Università di Milano. Bologna 2008. Bock G, Franchini AF. Emilio Alfieri (1874-1949). Nota biografica. In: G Bora, Garavaglia D. Spagnolo Martella. Arte e Medicina: le suggestioni di una grande collezione libraria. Milano: Skira 2005, 15-16.

Internet
Universität Calgari. Laura Cogoni. Alfieri Emilio. https://archiviostorico.unica.it/persone/alfieri-emiliohttps://www.apice.unimi.it/collezioni/fondo-alfieri/Francesco Cassata. Quality through quantity. Eugenics in Fascist Italy. In: Francesco Cassata. Building the new man. Eugenics, Racial Science and Genetics in Twentieth-Century Italy. Central European University Press: Budapest 2011, 135-221. https://books.openedition.org/ceup/726 .

Wolfgang Frobenius/Fritz Dross

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Amreich, Isidor Alfred

geb. 22.04.1885, Gars am Kamp (Österreich)
gest. 08.09.1972, Wien

Familie
V: Isidor (sic!) Amreich, Gemeindearzt
M: Josefine, geb. List
∞ 1924: Augustine Josefa, geb. Drescher

Ausbildung
1903 Matura (Humanist. Gymnasium Krems/Donau); bis 1910 Medizinstudium (Wien)

Akademische Karriere
1910 Promotion (Wien); 1923 Habilitation (Wien); 1936 o. Prof. (Innsbruck); 1939 o. Prof. (Wien); 1945 Entzug der Lehrbefugnis

Weiterbildung und berufliche Karriere
1910–12 Ass. am II. Anat. Inst. (Hochstetter); 1912–14 sowohl Ass. der I. UFK (Piskacek, Schauta) als auch der I. Chir. Klinik (Eiselsberg); 1914–18 Frontdienst in der IV. mob. Chirurgengruppe Eiselsberg; ab 1919 erneut Assistent an der I. UFK Wien (Schauta, ab 1920 v. Peham); 1928–36 Privatpraxis; 1936 Leiter der UFK Innsbruck; ab 1939 Dir. der I., 1943 der II. UFK Wien; 05/1945 Entzug der Lehrbefugnis; kurzfristige Internierung im Entnazifizierungslager Wolfsberg; ab 1948 Genehmigung zur Privatpraxis; 1953 Ruhestand

NS-Organisationen
11.01.1934 NSDAP; 1934 SA; ab 03/1938 SS (1939 Untersturmführer, 1942 Obersturmführer, SS-Winkelträger, Julleuchter, 12/1944 Antrag auf Aufnahme in die „Akademische Legion“ des Höheren SS- und Polizeiführers Wiens); Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)

Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
Mitglied seit 1922, 1937-1941 Beisitzer; 1951 korrespondierendes Mitglied, 1956 Ehrenmitglied

Vita
Isidor Alfred Amreich, Sohn des Gemeindearztes Isidor (sic!) Amreich aus dem niederösterreichischen Gars, zählt zu den bedeutenden Vertretern der operativen Schule der Wiener Gynäkologie. Er hat Wesentliches zur Weiterentwicklung der vaginalen Operation des Zervixkarzinoms nach Karl Schuchardt (1856-1901) und Friedrich Schauta (1849-1919) beigetragen sowie sich mit großem Engagement der Ausbildung des Nachwuchses auf diesem Gebiet gewidmet. Seine OP-Technik gilt als das radikalste aller beschriebenen Verfahren („Schuchardt-Schauta-Amreich-Operation“). Außerdem übernahm Amreich nach dem Tod von Josef Halban (1870-1937) dessen Rolle als Mitherausgeber des zehnbändigen Handbuchs „Biologie und Pathologie des Weibes“, das außer ihm von Ludwig Seitz (1872-1961) verantwortet wurde. Der letzte Band dieses Standardwerkes erschien 1955.

Die grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten zur Ausarbeitung seiner vaginalen OP-Technik erwarb Amreich während seiner anatomischen und chirurgischen Ausbildung zwischen 1910 und 1914, wobei er von 1912 an gleichzeitig Assistent von Schauta in der I. UFK Wien war. Die Anatomie lehrte ihn der als subtiler Präparator bekannte Ferdinand Hochstetter (1861-1954), die allgemeine Chirurgie der Billroth-Schüler Anton von Eiselsberg (1860-1939). In der mobilen Chirurgentruppe des Letzteren behandelte Amreich im Ersten Weltkrieg in unmittelbarer Nähe der Front u. a. schwere Bauchschussverletzungen. 

1919 kehrte Amreich wieder in die I. UFK Wien zurück, deren Leitung nach dem Tod Schautas ab 1920 Heinrich v. Peham (1871-1930) übernommen hatte. Bei ihm habilitierte er sich 1923 mit seiner Darstellung der Erweiterung der Technik der Schuchardt-Schauta-Operation. Die reich illustrierte einschlägige Arbeit, in der nach einer genauen Beschreibung der anatomischen Verhältnisse auch der praktische Ablauf der Operation in einzelnen Schritten geschildert wird und erste Behandlungsfälle dokumentiert sind, erschien im Jahr darauf im „Archiv für Gynäkologie“. Mit Amreichs Namen verbunden ist außerdem eine organerhaltende Operation des Scheidenstumpfprolapses, die von seinem Schüler Kurt Richter (1915-1989) besonders gepflegt wurde (Amreich-Richter-OP).

Amreichs unstrittige Verdienste als Wissenschaftler, Hochschullehrer und Arzt werden durch die Tatsache überschattet, dass er sich als überzeugter Nationalsozialist präsentierte. Bereits 1934 trat er der in Österreich wegen ihrer terroristischen Umtriebe illegalen NSDAP sowie der SA bei. Im März 1938, offenbar kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs, wurde er zudem Mitglied der SS (1939 Untersturmführer, ab 1942 Obersturmführer). Amreich gehörte damit als einziger Wiener Hochschullehrer allen drei NS-Organisationen an. Noch im Dezember 1944 beantragte er die Aufnahme in die „Akademische Legion“ des Höheren SS- und Polizeiführers in Wien.

Ob und – wenn ja – in welchem Ausmaß Amreich in seiner Karriere als Klinikdirektor von seinem Engagement für den Nationalsozialismus profitiert hat, muss noch offenbleiben. Klar ist indes, dass seine Mitgliedschaft in den bis 1938 illegalen Parteigliederungen ihm keineswegs geschadet hat. Sein erstes Ordinariat in Innsbruck erlangte er 1936, nachdem er die I. UFK Wien acht Jahre zuvor verlassen hatte und in privater Praxis in Wien tätig geworden war. 1939 trat er mit seiner Rückkehr an die I. UFK Wien die Nachfolge des aus rassischen Gründen vertriebenen Heinrich Kahr (1888-1947) an. In der Klinik wurden zwischen Januar 1941 und März 1942 nach der Übernahme des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) mindestens 62 Frauen zwangsweise unfruchtbar gemacht. Die Leitung der damals im Vergleich zur I. UFK ungleich größeren und als „Wertheim-Klinik“ apostrophierten II. UFK Wien wurde Amreich 1943 nach der Emeritierung von Wilhelm Weibel (1876-1945) übertragen. In Wien lebte er seit 1939 in einer „arisierten“ Wohnung.

Wegen seiner Zugehörigkeit zur SS hat die alliierte Besatzung Amreich am 10. Mai 1945 als Hochschullehrer und Klinikdirektor suspendiert. Der Amtsenthebung folgte eine Internierung im Entnazifizierungslager Wolfsberg in der Steiermark. Zwei ehemalige Kollegen, darunter der rassisch verfolgte und in die USA emigrierte Emanuel Klaften (1892-1971), setzten sich jedoch schon kurze Zeit später erfolgreich für seine Freilassung ein. Amreichs universitäre Laufbahn war allerdings an ihr Ende gelangt. Der Betriebsrat des Allgemeinen Krankenhauses Wien bezeichnete ihn als radikalen Nationalsozialisten, dessen „Ausscheidung dringend geboten“ sei. Mit seinen langjährigen Bemühungen um Rehabilitierung erreichte Amreich nur, dass er ab 1948 wieder eine private gynäkologische Praxis betreiben konnte. 

Die DGG hat Amreich für ihren ersten Nachkriegskongress 1949 in Karlsruhe zu einem Grundsatzreferat über „Die vaginale Operationskunst“ eingeladen. 1956 ernannte sie ihn zu ihrem Ehrenmitglied. 1964 verlieh die Universität Innsbruck Amreich die Würde eines Ehrensenators — eine Auszeichnung, die von der Hochschule inzwischen als problematisch eingestuft wird.

Ausgewählte Publikationen
– Zur Anatomie und Technik der erweiterten vaginalen Carcinomoperation. Arch Gynak 1924; 122: 497-553; — (mit H. Peham). Gynäkologische Operationslehre. Berlin: Karger, 1930; — Ätiologie und Operation des Scheidenstumpfprolapses. Wien Klin Wochenschr 1951, 63: 74-77; — Klinik und operative Behandlung des Uteruskarinoms. In: Seitz L, Amreich IA (Hrsg.). Biologie und Pathologie des Weibes, IV. Bd, 1. Teil, Berlin/Innsbruck u. a.: Urban & Schwarzenberg 1955, 784-1108 

Archivalische Quellen
Kath. Kirchenbücher Wien, Votivkirche, Trauungsbuch (1923-24, ancestry.de); Bundesarchiv Berlin: R 9361-III/514522 u. R 9361-IX Kartei /461513

Gedruckte Quellen
Fauvet, Egon. Die vaginale Operation des Cervixkrebses (Schuchardt, Schauta, Amreich). In: Karl-Günther Ober/Helmut Meinrenken (Hrsg.). Gynäkologische Operationen. Berlin/Göttingen u. a.: Springer, 1964, 210–241; Richter, Kurt. Beziehungen zwischen der Wiener und der Berliner operativen Gynäkologie. In: Lutwin Beck (Hrsg.). Zur Geschichte der Gynäkologie und Geburtshilfe. Aus Anlaß des 100jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Berlin/Heidelberg/New York u. a.: Springer, 1986, 277–298; Schaller A. Die Wertheim-Klinik. Eine Geschichte der II. Universitäts-Frauenklinik in Wien. Wien, München, Bern: Wilhelm Maudrich, 1992, 180–183; Spring CA. Zwischen Krieg und Euthanasie: Zwangssterilisationen in Wien 1940–1945. Wien: Böhlau, 2009, 263. DOI: 10.25595/413; Pfefferle R, Pfefferle H. Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren. Schriften des Archivs der Universität Wien, Bd. 18. Göttingen: V&R Unipress; 2014, 175-176; Dross F, Frobenius W, Thum A. „Wir können ihr Geschick nicht wenden“. Die jüdischen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie im Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch. Berlin/Leipzig: Hentrich & Hentrich, 2020, 129-132

Internet
Isidor Alfred Amreich. https://de.wikipedia.org/wiki/Isidor_Alfred_Amreichhttps://dewiki.de/Lexikon/Isidor_Alfred_Amreich#cite_note-2 ; Isidor_Alfred_Amreich Universität Innsbruck. Ehrensenator Isidor Alfred Amreich (1885–1972). https://www.uibk.ac.at/de/universitaet/profil/geschichte/ehrungen-biografien/amreich/

Wolfgang Frobenius/Fritz Dross

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Anderes, Ernst 

geb. 14.02.1883, Frauenfeld (Thurgau, Schweiz)
gest. 10.08.1952, Lenzerheide (Graubünden, Schweiz)

Aschheim, Selmar 

geb. 04.10.1878, Berlin
gest.15.02.1965, Paris

Berkeley, George Comyns 

geb. 16.10.1865, Notting Hill, London (UK)
gest. 27.01.1947, Middlesex Hospital, London (UK) 

Familie
V: George Augustus Berkeley, Importkaufmann
M: Sarah Louisa, geb. Moore
∞ 1894 Ethel Rose, geb. Fordham 

Ausbildung
1883-1887 Studium Generale der Naturwissenschaften am Caius College der Universität Cambridge; 1887-1892 Medizinstudium am Middlesex University Hospital London; ab 1892 Fortbildung am „Brompton Heart and Lung Hospital“ sowie an der Kinder- und Frauenklinik des Middlesex University Hospitals

Akademische Karriere
1887 B.A. Natural Sciences (Caius College Cambridge); 1892 Bachelor of Medicine and Surgery (Middlesex University Hospital London) 


Weiterbildung und berufliche Karriere
1895-1901 Facharztausbildung am Chelsea Hospital for Women (London); 1903 Geburtshelfer (Physican-Accoucheur) und ab 1905 bis 1930 Senior Gynaecological Surgeon am Middlesex University Hospital London; 1914-1918 zusätzlich in Intervallen verantwortlicher Chirurg am Clacton Military Hospital (Clacton-on-See);1919-1943 verantwortlicher Herausgeber des British Journal of Obstetrics and Gynaecology (BJOG); 1928-1939 Leiter des „Radium Centre“ am Middlesex; 1929 britischer Vertreter in der Radium-Kommission des Völkerbundes; neben der Tätigkeit am Middlesex Consulting Surgeon an mehreren anderen Londoner Kliniken; Mitglied, Prüfer und für eine Dekade Vorsitzender des Central Midwives Board   

Mitgliedschaft/Funktionen in der DGGG
1937 Ehrenmitglied

Vita
George Comyns Berkeley gehörte in den 1920er und 1930er Jahren zu den prägenden Persönlichkeiten der Frauenheilkunde im Vereinigten Königreich (UK). Ohne Professorentitel wirkte er nahezu sein ganzes Berufsleben als erfolgreicher Hochschullehrer und wissenschaftlicher Publizist sowie als renommierter Geburtshelfer und gynäkologischer Operateur am Middlesex University Hospital London. Er war Mitbegründer des Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG), des Royal College of Nursing (RCON) und Autor erfolgreicher Lehrbücher für angehende Fachärzte, Hebammen und Allgemeinmediziner. Von 1919 bis 1934 leitete er als Editor-in-Chief das BJOG. 

Von seiner eigenen Ausbildung her stand Berkeley noch in der Tradition der „alten“ englischen Universitäten, in denen die Fokussierung auf die Lehre und die Persönlichkeitsbildung eine herausgehobene Rolle spielte. Sein Interesse an der Forschung war gering. So konzentrierte er sich als anerkannt exzellenter Lehrer auf die Ausbildung, das Verfassen einschlägiger Fachbücher, seine Arbeit als Zeitschriften-Herausgeber sowie nicht zuletzt auf seine umfangreiche klinische Tätigkeit nicht nur am Middlesex, sondern auch an anderen Londoner Kliniken. Ein Schwerpunkt lag dabei in der Onkologie – speziell in der operativen und radiologischen Therapie des Zervixkarzinoms. 

Von großer Bedeutung für die Karriere von Berkeley war die Begegnung mit dem Fachkollegen Victor Bonney (1872-1953), dessen Name heute noch als Eponym für einen Test in der gynäkologischen Urologie gegenwärtig ist (Bonney-Test). Sie begann 1898 im Chelsea Hospital for Women und mündete in eine jahrzehntelange freundschaftliche Zusammenarbeit am Middlesex. So bemühten sich beide, mit Unterstützung des berühmten Chirurgen John Bland-Sutton (1855-1936) die damals noch in den Kinderschuhen steckende operative Gynäkologie voranzutreiben, indem sie die zu dieser Zeit neue Wertheimsche Operation übernahmen. Die ersten dieser Eingriffe hätten sie einander assistiert, schrieb Bonney in einem Nachruf auf seinen Kollegen und Freund. In der Folge entstand in den Jahren bis 1911 eine gemeinsame gynäkologische Operationslehre, die bis 1941 vier Auflagen erlebte. 

Auch auf geburtshilflichem Gebiet übte Berkeley erheblichen Einfluss aus. Seine Bemühungen als akademischer Lehrer und als langjähriges Mitglied des Central Midwives Board galten dabei gleichermaßen der Verbesserung der Ausbildung von Ärzten und Hebammen durch Anhebung der geltenden Standards. Außerdem setzte er sich für die Einführung von Maßnahmen zur Mutterschaftsvorsorge ein, deren Fehlen er für viele mütterliche und kindliche Todesfälle verantwortlich machte. Heftige Reaktionen in der Ärzteschaft löste ein Vortrag aus, den er 1923 vor der British Medical Association über die Verwendung und den Missbrauch der Zange hielt. Seine „ Gynaecology for Nurses and Gynaecological Nursing“ erlebte bis 1943 neun Auflagen. 

Ungeachtet seiner rastlosen beruflichen Tätigkeit galt Berkeley als „Bon viveur“ und bewundernswerter Gastgeber. Er förderte das soziale Leben am Middlesex Hospital nach Kräften, bezog seine Studenten und Mitarbeiter ein und konnte so ein leistungsfähiges Department formen. Ob er seine ausgedehnten Auslandsreisen wie seine amerikanischen Kollegen auch zu „clinical visits“ in deutschen oder österreichischen Frauenkliniken genutzt hat, ist unklar. Die Ernennung zum Ehrenmitglied der seinerzeitigen DGG wird in einem Nachruf von 1946 erwähnt. König George V schlug Berkeley am 30. Juni 1934 zum Ritter. 

Ausgewählte Publikationen
(mit V. Bonney). A textbook of Gynaecological Surgery. London: Cassel, 1911).  — Gynaecology for Nurses and Gynaecological Nursing. London 1910. — (mit V. Bonney). The Difficulties and Emergencies of Obstetric Practice. J.&A. Churchill: London 1913. — (mit V. Bonney). A Guide to Gynaecology in General Practice. H. Frowde: London 1915.  — (mit M. Ch. Cantab) Discussion on the use and abuse of obstetric forceps. BMJ 1923; 2 (3275): 600-609. — (mit V. Bonney und D. MacLeod) The Abnormal in Obstetrics. London 1938.

Gedruckte Quellen
Steer, Philipp J. BJOG Editor-in-Chief number 7: George Comyns Berkeley 1919-1943. BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology 2017; 124 (3): 356. DOI: 10.1111/1471-0528.14370 ; Anonymus. Sir Comyns Berkeley, M.D., M.Ch. F.R.C.P., F.R.C.S., F.R.C.O.G., M.M.S.A. [Nachruf mit einem Anhang von V. Bonney]. Br Med J 1946; 1: 221-222 ; https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC2058063/pdf/brmedj03819-0031.pdf Frobenius W. Imagepflege mit „linientreuen“ Ausländern (Ehrenmitgliedschaften Teil 4). Geburtsh Frauenheilk 2024; 84: 114–120; DOI 10.1055/a-2208-1622

Internetquellen
Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Comyns_Berkeley

Wolfgang Frobenius/Fritz Dross

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Beruti, Josué

geb. 1882

Bickenbach, Werner

geb. 14.04.1900, Solingen
gest. 15.07.1974, München

Boldt, Hermann Johannes 

geb. 24.06.1856, Neuentempel (Brandenburg)
gest.12.01.1943, St. Petersburg, Florida (USA)

Familie
V: Hermann Julius Ludwig Boldt
M: Amalie Christiane Boldt 
∞ 1891 Hedwig Krüger

Ausbildung
Public und High School in New York City, Studium der Pharmazie (Examen 1877) und der Medizin (Examen 1879) an der New York University

Akademische Karriere
1891 Professor of Gynecology (Post-Graduate Medical School New York City), 1917 emeritiert

Weiterbildung und berufliche Karriere
Mitbegründer und Arzt an der „German Poliklinik“, Arzt am St. Mark´s Hospital in New York City; dort auch Consulting Gynecologist an anderen Kliniken der Stadt (u. a. Stuyvesant Polyclinic [sic] Hospital, Beth Israel Medical Center); Ruhestand ab 1929

Mitgliedschaft/Funktionen in der DGGG
Mitglied seit 1909, Ehrenmitglied seit 1937

Vita
Hermann Johannes Boldt, Sohn deutscher Einwanderer in New York City (USA), zählt offensichtlich zu den besonders profilierten amerikanischen Gynäkologen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Er verbrachte zwar[FD1]  sein gesamtes Berufsleben in der Stadt am Hudson River, wo er zwischen 1891 und 1917 als Professor an der Post-Graduate Medical School lehrte, an der Gründung mehrerer medizinischer Einrichtungen beteiligt und bis zum Eintritt in den Ruhestand 1929 als Consultant großer Kliniken tätig war. Gleichzeitig pflegte er aber auch über viele Jahre in den Sommermonaten ungewöhnlich intensive wissenschaftliche Kontakte mit der europäischen Frauenheilkunde durch professional visits in führenden deutschen und österreichischen Kliniken, u. a. als Mitglied des American Gynecological Club. 1909 wurde er, der vielen US-amerikanischen und mehreren britischen Fachgesellschaften angehörte, auch Mitglied der seinerzeitigen DGG, die ihn 1937 zu ihrem Ehrenmitglied ernannte. 

In einem Nachruf, der 1944 in den „Annals of Surgery“ erschien, wird Boldt als „Forscher zur physiologischen Aktivität von Kokain und als profilierter Autor zu allen Aspekten der Gynäkologie“ gewürdigt. Der Verfasser Raymond P. Sullivan, lange Jahre einer der führenden Chirurgen in New York, hob neben vielen Artikeln in Fachzeitschriften vor allem Boldts Handbuchbeiträge hervor, so die Kapitel zu „Benign and Malignant Neoplasm of the Vulva and Vagina and of the Uterus“ in „Clincal Gynaecology“, das 1895 unter Mitwirkung führender amerikanischer Wissenschaftler in dem renommierten Fachverlag J.B. Lippincott publiziert wurde. Ferner habe Boldt zu der mehrbändigen „Enzyklopädie der Geburtshilfe und Gynäkologie“ beigetragen, die 1900 erstmals von dem DGG-Gründungsmitglied Max Sänger (1853-1903) herausgegeben wurde. Ein von Boldt entwickelter spezieller Operationstisch für die abdominale Chirurgie wurde auf der Pariser Weltausstellung von 1900 mit einem Preis ausgezeichnet.   

Boldt war der erste US-Amerikaner, der zum Ehrenmitglied der DGG ernannt wurde. Bei seiner Wahl 1937 beim Berliner Kongress von Georg August Wagner könnte neben der Bedeutung von Boldt für das Fach und seiner Affinität speziell zur deutschen Frauenheilkunde auch die politische Einstellung des Lauraten eine Rolle gespielt haben. Aus einem Nachruf der New York Times geht hervor, dass Boldt offenbar ein Anhänger Hitlers war und dem NS-Narrativ von der Auslösung des Zweiten Weltkriegs durch Polen folgte. Im Zusammenhang mit den Zwangssterilisationen wurde Boldt von der NS-Propaganda instrumentalisiert. Wie eine Ironie des Schicksals mutet an, dass Boldts einziger Sohn im Ersten Weltkrieg als amerikanischer Kriegsfreiwilliger in Frankreich im Kampf gegen die Deutschen fiel, Boldt selbst aber im Zweiten Weltkrieg durch den Nazi-Kollaborateur General Philippe Petain mit dem Croix de la Guerre ausgezeichnet wurde. 

Publikationen (Auswahl)
- The Treatment of Suppurative Disease of the Uterine Appendages. The American Journal of Obstetrics and Diseases of Women and Children 1889; 22 (3): 262. -Cavernous Angioma of the Uterus, with Specimen, and Remarks on the Method of doing Vaginal Hysterectomy. The American Journal of Obstetrics and Diseases of Women and Children 1893; 28(6): 834. – Pelvic elevation in abdominal surgery, with a new transportable table for obtaining this posture. Medical Record 1893; 43 (19): 580. - Myofibroma uteri. JAMA 1900; 35 (5): 275-277. – The treatment of gonorrhea in women. JAMA 1908; 50 (5): 330-335. 

Gedruckte Quellen
Sullivan RP. Hermann Johannes Boldt: 1856-1943. Ann Surg 1944; 119(4):633-635. DOI: 10.1097/00000658-194404000-00023. Anonymus. Dr. H.J. Boldt is Dead in Accident in South. Noted Gynecologist, 87, Victim of Gas Fumes from Heater. The New York Times 1943, Ausgabe vom 13. Januar. Anonymus. Hier spricht das Ausland. „Sterilisierung ist menschlicher.“ Rassenpolitische Auslands-Korrespondenz 1939; Nr. 1, S. 4. Eby, Michael WD, Longo L. Furthering the profession: the early years of the American Gynecological Club and its first European tours. Obstetrics  Gynecology 2002; 99 (2): 308-315.

Internet
https://prabook.com/web/hermann_johannes.boldt/1110741

Wolfgang Frobenius/Fritz Dross

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Bracht, Erich

geb. 05.07 1882, Berlin
gest. 05.05.1969, ?

Burger, Karl Johann 

geb. 25.09.1893, Budapest
gest. 22.05.1962, Konstanz

Cònill Montobbio, Victor

geb. 22.09.1886, Barcelona (Spanien)
gest. 03.01.1970, Barcelona (Spanien)

Familie

V: Rechtsanwalt
Sohn: Victor Cònill Serra, Gynäkologe

Ausbildung
1909 Medizinisches Examen mit Auszeichnung (Universität Barcelona); 

Akademische Karriere
1913 Promotion (Madrid); 1925 a. o. Prof. (Barcelona); 1933 o. Prof. für Geburtshilfe und Gynäkologie (Santiago de Compostella); 1934-1956 o. Prof. für Geburtshilfe und Gynäkologie (Barcelona) 

Weiterbildung und berufliche Karriere
1909-1912 Auslandsaufenthalt in der Schweiz und Assistententätigkeit in München bei Albert Döderlein (I. UFK); 1913 Assistent von Miguel Arcángel Fargas Roca in Barcelona (Lehrstuhl für Gynäkologie); 1915 wissenschaftliches Stipendium für einen Studienaufenthalt an der UFK Bern (Hans Guggisberg); 1921 Arzt an der Geburtsklinik „La Maternitat“ in Barcelona; 1933 Direktor der Frauenklinik der Universität von Santiago de Compostella; 1934 bis 1956; 1934-1956 Direktor der Universitätsfrauenklinik Barcelona 

Mitgliedschaft/Funktionen in der DGGG
Mitglied seit 1911, 1941 Beisitzer; 1944 Ehrenmitglied

Vita
Victor Cònill Montobbio gilt als einer der bedeutenden spanischen Gynäkologen des 20. Jahrhunderts. Von 1934 bis 1956 trug er als Lehrstuhlinhaber in Barcelona wesentlich zur Entwicklung des Faches in dem südwesteuropäischen Land bei und beeinflusste darüber hinaus auch die Frauenheilkunde in Mittel- und Südamerika. Geprägt war er von seiner Ausbildung in der Schweiz (u. a. bei dem Chirurgen Theodor Kocher), in Deutschland bei Albert Döderlein sowie bei dem als Pionier operativen Gynäkologie in Katalonien bekannten Miguel Arcángel Fargas Roca in Barcelona. 

Cònill Montobbio galt neben seiner wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Tätigkeit als hervorragender Kliniker, der zahlreiche neue Behandlungsmethoden evaluierte und etablierte. Schon in seiner 1913 angefertigten Dissertation bei Sebastian Recasens Girol, dem damaligen Ordinarius in Madrid, untersuchte er in einer hervorragend bewerteten, vergleichenden Studie den Wert von Pubotomie, Kraniotomie und Schnittentbindung für die Behandlung geburtshilflicher Komplikationen durch ein verengtes Becken. 1918 veröffentlichte er zusammen mit seinem Doktorvater eine Monografie zur Röntgentiefentherapie und zur Radiumbehandlung in der Gynäkologie. 1921 folgte eine Abhandlung zu neuen Methoden in der Therapie von Brustkrebs. Hinzu kamen mehrere Lehrbücher, die auch in südamerikanischen Ländern wie Argentinien und Uruguay Verbreitung fanden. Eine medizinhistorische Studie beschäftige sich mit der Gynäkologie bei Hippokrates.

Das gesundheitspolitische Engagement von Cònill Montobbio äußerte sich unter anderem in der Gründung der Katalanischen Liga gegen den Krebs, deren erster Präsident er 1925 war. 1953 wurde er Gründungsmitglied der Spanischen Gesellschaft für das Studium der Sterilität. Für seine Arbeit wurde er von staatlicher Seite 1956 mit dem Großkreuz des Zivilen Gesundheitsordens ausgezeichnet. 1957 erhielt er den Couder y Moratilla-Preis der Königlichen Nationalen Akademie für Medizin. Zahlreiche Fachgesellschaften ernannten ihn zu ihrem Ehrenmitglied.

Cònill Montobbio wird als strenger Katholik beschrieben. Den Gipfel seiner Karriere erreichte er 1934 mit seiner Berufung zum Ordinarius in Barcelona noch in der spanischen Republik. Die Säuberungen der Franco-Diktatur nach dem Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 überstand er unbeschadet. In einem Referat über die spanische Frauenkunde beim DGG-Kriegskongress 1941 in Wien pries er „die politische und moralische Entwicklung“ des deutschen Volkes, die er über 30 Jahre mit Leidenschaft verfolgt habe. Conill Montobbio schloss mit dem Satz: „Dieselbe tiefe Dankbarkeit, die jeder wohlgeborene Spanier für unseren Caudillo [span. Führer, gemeint ist Franco] fühlt, fühlt schon jetzt jeder verständige Europäer für euren genialen Führer, den Führer im erlösenden Kreuzzug der europäischen Zivilisation und Leiter der Neuordnung Europas.“

Victor Cònill Montobbio ist das einzige Ehrenmitglied der DGGG, bei dessen Ernennung im Nationalsozialismus politische Einflussnahme nachweisbar ist. Aus einem Briefwechsel zwischen dem damaligen Präsidenten Rudolf Jaschke und dem Schriftführer Heinrich Martius geht hervor, dass die Ehrung „auf Anregung des Reichsgesundheitsführers“ Leonardo Conti erfolgte. Dies erklärt wohl auch den ungewöhnlichen Zeitpunkt der Auszeichnung im Jahr 1944 fernab von jeder Kongressroutine.

Ausgewählte Publikationen
La pubiotomía, la cesárea abdominal y la craniotomía como operaciones de concurrencia en el tratamiento de las estenosis pélvicas. Diss med Madrid 1913. — (mit Sebastián Recasens) Radioterapia profunda y radiumterapia en ginecología. Salvat: Barcelona 1918. — Nuevas orientaciones en el tratamiento del cancer de mama. Imprenta Santpere: Barcelona 1921. — La Ginecología de Hipócrates. Pubul: Barcelona1925. — Über die Tubeninnervation. Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie 1934; 97(5): 266-268. — Embarazo Ectópico. Salvat: Barcelona 1940. — Tratado de ginecología y de técnica terapéutica ginecológica. Labor: Barcelona 1946. — Campaign against cancer in Cataluña; the first epoch; concrete objectives of the anticancer campaign in Spain adapted to the present era. Anales de la Real Academia Nacional de Medicina 1956; 73 (4). 

Gedruckte Quellen
Cònill V: Geist und Inhalt der spanischen Frauenkunde. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie. 26. Versammlung, abgehalten zu Wien vom 27. bis 30. Oktober 1941. Arch Gynak 1942; 173: 37-40. Usandizaga M. Victor Conill Montobbio (1886-1970). [Nachruf] Anales de Medicina y Cirurgia 1970; 50: 297-305.

Archivalien
BSB München, Nachlässe, Ana 691: Briefwechsel Jaschke – Martius (23./28. 04.1944)

Internet
Manuel Díaz-Rubio García. Cónill Montobbio, Víctor. dbe.rah.es/biografias/21520/victor-conill-montobbio

Wolfgang Frobenius/Fritz Dross

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Cova, Ercole

geb. 04.02.1877, Mailand
gest. ?

Diepgen, Paul 

geb. 24.11.1878, Aachen
gest. 02.01.1966, Mainz

Familie
V: Martin Diepgen, Kaufmann
M: Maria, geb. Hamm
∞ 1934 Liselotte Edith, geb. Jeglinsky

Ausbildung
1897 Abitur (Aachen); 1897–1902 Medizinstudium (Tübingen, Leipzig, Bonn, Freiburg i. Br.); 1902 Staatsexamen (Freiburg i. Br.); 1905-1908 Studium der Geschichte (Freiburg i. Br.); 

Akademische Karriere
1902 Promotion zum Dr. med. (Freiburg i. Br.); 1908 Promotion zum Dr. phil. (Freiburg i. Br.); 1910 Habilitation für Geschichte der Medizin (Freiburg i. Br.); 1910 Privatdozent (Freiburg i. Br.); 1915 apl. Prof. (Freiburg i. Br.); 1920 o. Honorarprof. (Freiburg i. Br.); 1929 a.o. Prof. (Berlin); 1938 o. Prof. (Berlin); 1944 Emeritierung (Berlin); 1947 Gastprofessor (Universität Mainz); 1949 o. Prof. (Mainz); 1957 Emeritierung (Mainz)

Weiterbildung und berufliche Karriere
1902-1904 Assistent der Universitätsfrauenklinik Freiburg i. Br. (Alfred Hegar); 1905 private geburtshilfliche Praxis (Freiburg i. Br.); nach dem Ersten Weltkrieg Chefarzt der gyn.- geburtsh. Abt. des Freiburger Loretto-Krankenhauses; 1926 parallel zur ärztl. Tätigkeit Leiter des von ihm gegründeten medizinhistorischen Seminars der Universität Freiburg i. Br.; 1930-1944 Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin (Universität Berlin); 1949-1957 Direktor des Medizinhistorischen Instituts (Universität Mainz)

Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
1941 Ehrenmitglied

NS-Organisationen
Nationalsozialistischer Lehrerbund (NSLB) ab 1.1.1934

Vita
Paul Diepgen, 1941 beim „Kriegskongress“ der DGG auf höchst unkonventionelle Weise zum Ehrenmitglied der Fachgesellschaft ernannt, war seit den 1930iger Jahren für rund drei Dekaden die führende Persönlichkeit unter den deutschen Medizinhistorikern. Er hat in dieser Zeit an drei Universitäten Einrichtungen des Fachgebietes aufgebaut und geleitet (Freiburg i. Br., Berlin, Mainz) sowie entscheidend zur Implementierung der Medizingeschichte im Curriculum des Studiums beigetragen. Nach 1945 geriet er allerdings wegen seiner ambivalenten Haltung zum Nationalsozialismus zunehmend in die Kritik.   

Diepgens Berufsweg begann 1902 nach Medizinstudium und Promotion mit einer gynäkologisch-geburtshilflichen Fachausbildung an der Freiburger Universitätsfrauenklinik bei Alfred Hegar (1830-1914). Konassistent war der spätere Tübinger Ordinarius und DGG-Präsident August Mayer (1876-1968), mit dem Diepgen eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Nach Abschluss der Fachausbildung war Diepgen ab 1905 zunächst in privater Praxis tätig. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm er bis 1929 die Chefarztposition der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Freiburger Loretto-Krankenhauses. 

Parallel zu seiner ärztlichen Tätigkeit wandte sich Diepgen schon früh der Medizingeschichte zu. 1905 begann er ein Geschichtsstudium, das er 1908 mit der Promotion zum Dr. phil. abschloss. 1910 folgte mit kräftiger Unterstützung des Pathologen Ludwig Aschoff (1866-1942) die Habilitation für Geschichte der Medizin. Es dauerte allerdings bis 1926, ehe er ein „Medizinhistorisches Seminar“ an der Universität etablieren konnte. Weitere Stationen seiner Karriere waren das Direktorat des neu gegründeten Instituts für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften in Berlin (1930-1944, emeritiert) sowie von 1947-1957 eine zunächst außerordentliche und dann ordentliche Professur für Medizingeschichte einschließlich der Leitung des Medizinhistorischen Instituts der Universität Mainz. 

Dem NS-Regime stand Diepgen in vielen Bereichen distanziert gegenüber: So lehnte er den Antisemitismus ab und wurde nie Parteimitglied. Andererseits unterhielt er Beziehungen zu Parteiprominenz wie Karl Brandt (1904-1948, hingerichtet), dem ranghöchsten NS-Mediziner, sowie zu Ernst Grawitz (1899-1945, Suizid), dem Reichsarzt-SS. Zwei Ärzte der SS, die SS-eigene Medizingeschichte schreiben sollten, habilitierte Diepgen an seinem Berliner Institut. 1939 führten seine Bemühungen, die Medizingeschichte als politisch nützlich darzustellen, zur Integration des Faches als Pflichtvorlesung in das Curriculum des Studiums. In der Gesamtschau, so der Medizinhistoriker Florian Bruns, „stellte er sich und sein Institut, aus welchen Gründen auch immer, ohne Skrupel der legitimatorischen Propaganda des Nationalsozialismus zur Verfügung.“

Diepgens Ernennung zum Ehrenmitglied 1941 wurde offenbar während des Kongresses sehr kurzfristig hinter den Kulissen ausgehandelt, möglicherweise auf Initiative seines Freundes August Mayer. Bei der Bekanntgabe der neuen Laureaten in der Mitgliederversammlung fiel sein Name noch nicht. Erst in seinem Schlusswort zum Kongress dankte der Vorsitzende Hans Fuchs „besonders noch unserem Ehrenmitgliede, Herrn Prof. Diepgen, daß er mit einem so gedankenreichen Vorspiel unsere Tagung einleitete.“ Diepgen, bis dahin kein Mitglied der Gesellschaft, hatte einen Eröffnungsvortrag zum Thema „Die Kulturgeschichte der Frau und die Frauenheilkunde“ gehalten.     

Ausgewählte Publikationen
Über zwei Fälle von Thorakopagus. Diss med Univ. Freiburg i. Br. 1902; — Die politische Entwicklung der Völker und die Medizin. Freiburg i. Br.: Speyer & Kaerner 1917. — Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. München: Bergmann 1920, 2., verm. Auflage. — [Paul Diepgen] Mein Weg zur Medizingeschichte. Hippokrates. 1961; 32:807-812. —  Die Medizin an der Berliner Charité bis zur Gründung der Universität. Berlin: J. Springer 1935. — Die Frauenheilkunde der alten Welt. München: Bergmann 1937. — Die Heilkunde und der ärztliche Beruf. München: J.F. Lehmanns 1938. — Die Kulturgeschichte der Frau und die Frauenheilkunde. Arch Gynak  1942; 173:12-36. — Geschichte der Medizin. Die historische Entwicklung der Heilkunde und des ärztlichen Lebens. Walter de Gruyter & Co., Berlin (3 Bde., 1949, 1951, 1955). — Die alte Mainzer medizinische Fakultät und die Wissenschaft ihrer Zeit. Mainz: Kupferberg 1951. — Über den Einfluss der autoritativen Theologie auf die Medizin des Mittelalters. Mainz: Verl. d. Akademie d. Wissenschaften u. d. Literatur 1958. 

Gedruckte Quellen
Artelt, Walter. Paul Diepgen zum 24. November 1943. Klin Wochenschrift 1943; 22: 712; Kümmel, Werner Friedrich. Paul Diepgen als „Senior“ seines Faches nach 1945. Medizinhist. J. 2014; 49: 10-44. Seidler, Eduard. Die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Grundlagen und Entwicklungen. 1. korr. Nachdr. Berlin/Heidelberg 1993. Bruns, Florian. Die Berliner Institute für Geschichte der Medizin. Ein Abriss ihrer Entwicklung im 20. Jahrhundert. In: Florian Bruns (Hg). Medizingeschichte in Berlin. Institutionen, Personen, Perspektiven. Be.bra: Berlin-Brandenburg 2014, 13-38; Mildenberger, Florian. Gutachten und Seilschaften. Die „Diepgen-Schule“ in der westdeutschen Medizinhistoriographie zwischen Dominanzanspruch und Selbstzerschlagung. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 2014; 29: 104–122. [Tagungsbericht]. Hans Fuchs [Schlusswort]. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie. 26. Versammlung, abgehalten zu Wien vom 27. bis 30. Oktober 1941. Arch Gynak 1942, 173: 697.

Internet
Paul Diepgen, in: Verzeichnis der Professorinnen und Professoren der Universität Mainz. URI: http://gutenberg-biographics.ub.uni-mainz.de/id/f4c472db-d9c3-424d-9c3a-290ebcd4dc0e. (Zugriff am 23.10.2024); Paul Diepgen. https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Diepgen; ancestry. Paul Robert Diepgen. https://www.ancestry.de/search/?name=Paul_Diepgen&event=_Aachen&birth=1878&count=50&location=3253&name_x=1_1&priority=german (Zugriff am 23.10.2024)

Wolfgang Frobenius/Fritz Dross

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Döderlein, Albert Sigmund Gustav

geb. 05.07.1860, Augsburg 
gest. 10.12.1941, Erlangen

Döderlein, Gustav 

geb. 19.05.1893, Leipzig
gest. 19.03.1980, München

Douay, Eugène 

Esch, Peter

geb. 20.12.1874, Minkelfeld (Verbandsgemeinde Maifeld, Rheinland-Pfalz)
gest. 10.06.1952, Münster (Westfalen)

Eymer, Heinrich Christian 

geb. 11.06.1883, Frankfurt am Main 
gest. 16.05.1965, München

Fels, Erich (später Erico)

geb. 19.05.1897, Würzburg
gest. 21.01.1981, Buenos Aires (Argentinien)

Fikentscher, Richard

geb. 02.04.1903, Augsburg
gest. 16.06.1993, München

Flaskamp, Wilhelm

geb. 19.06.1891, Duisburg-Ruhrort
gest. 1979

Fraenkel, Ludwig

geb. 23.04.1870, Leobschütz, Schlesien (heute Glubczyce, Polen)
gest. 10.07.1951, Bad Ischl (Österreich)

Füth, Heinrich Clemens

geb. 11.01.1868, Werden a. d. Ruhr
gest. 21.08.1951, Köln

Franqué, Otto von 

geb. 11.09.1967, Würzburg
gest. 11.04.1937, Schloß Kalkum bei Düsseldorf

Frigyesi, Joszef 

geb. 14.06.1875, Kisvárda, Szabolcs-Szatmár-Bereg (Ungarn)
gest: 11.12.1962 Budapest (Ungarn)

Gaifami, Paolo 

geb.16.06.1883, Como (Italien)
gest.14.03.1944, Rom (Italien)

Familie
V: Carlo Fontana
M: Teresa Fontana
∞ Barbara, geb. Rossi 

Ausbildung
Schulbildung in Venedig, 1907 Abschluss des Studiums der Medizin und Chirurgie in Padua; in dieser Zeit Tätigkeit am Institut für pathologische Anatomie der Universität unter der Leitung von Augusto Bonome (1857-1922)

Akademische Karriere
1914 Privatdozent (Universität Rom); 1923 o. Prof. (Universität Sassari), 1924 o. Prof. (Universität Bari), 1935 o. Prof. (Universität Rom)

Weiterbildung und berufliche Karriere
Nach Abschluss des Studiums 1907 Volontär an der Universitätsfrauenklinik Rom unter der Leitung von Ernesto Pestalozza (1860-1934), ab 16.11.1910 dort fest angestellter Assistent; im Ersten Weltkrieg Militärarzt in Tarcento und Bologna; anschließend wieder Tätigkeit an der Universitätsfrauenklinik Rom; 1924-1935 Direktor der Universitätsfrauenkliniken in Sassari und Bari; 1935-1943 Direktor der Universitätsfrauenklinik Rom

Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
1937 Ehrenmitglied

Vita
Paolo Gaifami, von 1935 bis 1943 Direktor der Universitätsfrauenklinik Rom (La Sapienzia), gehörte auf dem Höhepunkt seiner Karriere zu den einflussreichsten Frauenärzten Italiens. Er war Mitglied des nationalen Gesundheitsrates (Consiglio Superiore di Sanità), des nationalen Forschungsrates (Consiglio Nazionale delle Ricerche) sowie Mitarbeiter der nationalen Einrichtung zum Schutz von Mutter und Kind (Opera Nazionale Maternità e Infanzia, ONMI), die sich der Aufwertung der Mutterschaft „im Dienste der Zukunft der Rasse“ verschrieben hatte. Über zwei Amtsperioden übte er das Amt des Präsidenten der Italienischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie aus. Außerdem war er Vizepräsident der Liga für den Kampf gegen bösartige Tumore (Lega per la lotta contro i tumori maligni). 

Das wissenschaftliche Werk Gaifamis ist breit gefächert und umfasst rund 300 Titel, darunter Handbuchbeiträge und mehrere Lehrbücher. Viele seiner Arbeiten befassten sich mit geburtshilflichen Themen – darunter Untersuchungen zur Chemie des Kolostrums und der Amnionflüssigkeit, zur vorzeitigen Plazentalösung sowie zur pathologischen Anatomie der intrauterinen Asphyxie und weniger häufiger Ursachen des Kindstodes. Außerdem diskutierte er die Frage der ärztlichen Verantwortlichkeit bei Wochenbettinfektionen, die obligatorische Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch und Möglichkeiten zum besseren Schutz der Mütter. 

Gaifami hat zwar den größten Teil seiner beruflichen Tätigkeit in der Universitätsfrauenklinik Rom verbracht. Zwischenzeitlich war er jedoch auch in Süditalien tätig. Dort leistete er als Ordinarius an der neu gegründeten Universität Bari wichtige Aufbauarbeit: So initiierte er 1927 eine Poliklinik, deren Personal bei Notfällen in der Hausgeburtshilfe ausrücken und vor Ort Beistand leisten konnte. Weitere Initiativen waren 1930 die Einrichtung eines Entbindungsheims mit 24 Betten für bedürftige unverheiratete Frauen, einer Ambulanz für tuberkulöse Schwangere sowie einer eigenen Abteilung mit 12 Betten für diese Klientel.

Am 14. März 1944 kam Gaifami bei einem Luftangriff auf Rom ums Leben. Der italienische Staat würdigte sein Engagement mit zwei besonderen Auszeichnungen: 1938 verlieh man ihm den Orden der Krone Italiens, 1941 den Ordens der Heiligen Mauritius und Lazarus. Letzterer stellte damals die zweithöchste Auszeichnung des Landes dar.

Ausgewählte Publikationen
— Il comportamento istologico in gravidanza della mucosa della portio. Annali di ostetricia e ginecologia 1910, 31:1-118; — Il consulto medico obbligatorio prima di provocare un aborto. Clinica ostetrica 1929, 31: 650-653; — Della precipitazione e della incompetenza nei referti in tema di aborto. Clinica ostetrica 1933, 35: 358-371; — La responsabilità medica nella rottura dell‘utero in travaglio. Clinica ostetrica 1934; 36: 436-459; — Elementi di ginecologia: avviamento alla diagnosi e alla terapia ginecologica: per medici pratici e studenti. Pozzi: Rom 1927; — Prontuario di terapia ostetrica. Vademecum por il medico practico. Pozzi: Rom 1924; — Conversazioni e Lezioni Ostetrico-ginecologiche. Pozzi: Rom 1933

Gedruckte Quellen
Fischer, Isidor. Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Nachträge und Ergänzungen von Peter Voswickel, Band I (Abad–Komp). Olms:  Hildesheim 2002. Alfieri E. Paolo Gaifami [Nekrolog] Annali di ostetricia e ginecologia 1944; 66: 3-1

Internet
https://www.treccani.it/enciclopedia/paolo-gaifami_(Dizionario-Biografico)

Wolfgang Frobenius/Fritz Dross

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Gauß, Carl Joseph

geb. 29.10.1875, Rittergut Lohne bei Hannover
gest. 11.02.1957, Bad Kissingen

Guggisberg, Hans 

geb. 03.02.1880, Bern
gest. 11.04.1977, Köniz (Schweiz)

Heynemann, Theodor Friedrich Ernst

geb. 20.08.1878, Lemgo
gest. 15.12.1951, Hamburg

Familie
V: Carl Ernst Wilhelm Heynemann, Apotheker und Landtagsabgeordneter
M: Maria Friederike, geb. Brüggemann
∞ 23.07.1941 Auguste Marie Tannrath

Ausbildung
1897 Abitur; ab SS 1897 Medizinstudium in Würzburg, München und Kiel; 1903 Staatsexamen und Approbation (Würzburg)

Akademische Karriere
1904 Promotion (Kiel); 1910 Habilitation (Halle/Saale); 1913 ao. Prof. (Halle/Saale); 1919 o. Prof. (Hamburg); 1926/27 Dekan der Medizinischen Fakultät Hamburg; 1950 Emeritierung

Weiterbildung und berufliche Karriere
1903/04 Path. Inst. des Allg. KH St. Georg Hamburg (Simmonds); 1904–06 Inn. Med. des Allg. KH St. Georg Hamburg (Jolasse); 1906/07 1. Chir. Abt. und Röntgeninst. des Allg. KH St. Georg Hamburg (Wiesinger, Albers-Schönberg); 1907–14 zunächst Ass., dann OA an der UFK Halle/Saale (Veit); 1914–18 Kriegsdienst; 1918/19 stellv. Dir. der UFK Halle/Saale; 2/1919 OA (Leiter) der gyn. Abt. des KH Barmbeck; ab 6/1919 Lehrstuhlinhaber für Gyn. (Hamburg) und Direktor der zur UFK aufgewerteten Frauenklinik Eppendorf; 1950 Emeritierung; bis 1951 Dir. der Frauenklinik im UK Hamburg-Eppendorf

NS-Organisationen
1933 NSLB; 1934 FM SS; 1935 NSV (ab 1936 Vertrauensarzt); 01.05.1937 NSDAP

Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
Mitglied seit 1907; 1911-1913 stellv. Schriftführer; 1937–41 Beisitzer; 1949 Ehrenmitglied

Vita
Eigentlich lag ihm eine Hochschullaufbahn fern. Als praxisorientierter Gynäkologe strebte Theodor Heynemann nach seiner Ausbildung eine Chefarztposition in einer großen extrauniversitären Frauenklinik an. Die besonderen Umstände der Gründung der Universität Hamburg 1919 führten jedoch zu seiner Berufung auf den ersten dortigen Lehrstuhl für Frauenheilkunde. Als Ordinarius hat er dann die Frauenklinik im Krankenhaus Eppendorf in über 30jähriger Tätigkeit zu einer renommierten Hochschulklinik geformt und sich selbst große Anerkennung als Arzt, Hochschullehrer und Wissenschaftler erworben. Als er 1950 emeritiert wurde und im Jahr darauf die Klinikleitung an seinen Nachfolger übergab, hinterließ er eine große Zahl habilitierter Schüler, die ihrerseits Chefarztpositionen und einige Ordinariate besetzten.   

Christina Quellmann hat den Berufs- und Lebensweg von Heynemann sehr detailliert nachgezeichnet. Sie arbeitet in ihrer quellenreichen Biografie seine ursprünglichen beruflichen Intentionen und die Umorientierung nach dem unerwarteten Ruf auf den Hamburger Lehrstuhl heraus. Demnach blieben für Heynemann seine Patientinnen im Zentrum seiner Tätigkeit; gleichzeitig bemühte er sich aber mit großem Erfolg, den in ihn gesetzten Erwartungen in Forschung und Lehre gerecht zu werden. 

In der DGG gehörte Heynemann zu den aktiven Mitgliedern. Er trat der Gesellschaft bereits 1907 als Jungassistent von Johann Veit (1852-1917) in Halle bei, wurde 1911 unter der Präsidentschaft seines Lehrers zum stellvertretenden Schriftführer gewählt und zeichnete in dieser Eigenschaft als Mitherausgeber der Kongressbände für das Jahr 1913 verantwortlich. 1937 bis 1941 gehörte er erneut dem Vorstand an. Heynemann hat viele der DGG-Kongresse mit Beiträgen bereichert. Bei der ersten Veranstaltung der Fachgesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er 1949 zum Ehrenmitglied ernannt.

Zu Beginn seiner gynäkologischen Karriere mit dem Ziel Habilitation und Professur als Basis einer erfolgreichen Bewerbung um einen Chefarztposten begann Heynemann bei Veit, sich intensiv in der Forschung zu engagieren. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand neben der Bakteriologie die damals noch in den Kinderschuhen steckende Radiologie. Bereits 1911 trat er – nun schon Oberarzt in Halle – beim DGG-Kongress in München mit einem Beitrag über „Klinisches und Experimentelles zur Röntgentherapie in der Gynäkologie“ auf. Weitere Publikationen zum Thema folgten bis 1920, darunter Beiträge für die neu gegründete Zeitschrift „Strahlentherapie“. Die Voraussetzungen für diese Forschungen hatte Heynemann vor Beginn seiner gynäkologischen Fachausbildung durch eine Assistenz bei dem Hamburger Röntgenpionier Heinrich Albers-Schönberg (1865-1921) erworben.

Insgesamt hat Heynemann nach einer Zählung von Quellmann 152 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, darunter fünf umfangreiche Beiträge in den wichtigsten zeitgenössischen Handbüchern des Faches. Dominierende Themen blieben nach Übernahme des Ordinariates geburtshilfliche und infektiologische Fragen. Vor allem in den Handbuchbeiträgen spiegelt sich das Bemühen Heynemanns, den wissenschaftlichen Fortschritt kritisch zu würdigen und auf seinen Wert für die Praxis zu überprüfen. Besondere Beiträge zur Entwicklung beispielsweise der Onkologie oder der operativen Gynäkologie hat er nicht geliefert. Als Hochschullehrer erfreute er sich wegen seiner Fähigkeit zur Vermittlung komplexer Sachverhalte großer Beliebtheit bei den Studierenden. Seinen Assistenten war er ein fordernder Vorgesetzter. Gleichzeitig entschuldigte er aber auch ihre burschenschaftlichen Exzesse. 

Heynemann, selbst sein Leben lang dem Corps Nassovia eng verbunden, zählte zu den konservativen Hochschullehrern, die in der Weimarer Republik der nationalliberalen DVP angehörten. Einer Empfehlung, sich nach deren Auflösung 1933 der NSDAP anzuschließen, folgte er bis 1937 nicht. Gleichwohl ist er schon im Jahr der Machtübernahme dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) beigetreten. Im November 1933 gehörte er zu den Unterzeichnern des „Rufes an die Gebildeten der Welt“, der später als „Professorenbekenntnis“ zu Hitler und dem NS-Staat veröffentlicht wurde. 1934 wurde er förderndes Mitglied der SS und 1936 Vertrauensarzt der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), der er sich im Jahr zuvor angeschlossen hatte. Die Vertrauensärzte hatten durch Begutachtungen u. a. dafür zu sorgen, dass nur „erbbiologisch Gesunde“ in den Genuss von NSV-Fürsorgemaßnahmen kamen. 

Wie viele seiner Kollegen stand Heynemann eugenischen Sterilisationen bereits in den 1920er Jahren aufgeschlossen gegenüber und befürwortete auf der Tagung der DGG im Jahr 1931 die Eingriffe „bei bestimmten Geisteskrankheiten und gewissen verbrecherischen Anlagen“. Nach dem Inkrafttreten des NS-Sterilisationsgesetzes (GzVeN) 1934 wurden auch in seiner Klinik Hunderte dieser Eingriffe durchgeführt, an denen Heynemann in einigen wenigen Fällen persönlich beteiligt war. Genaue Zahlen liegen nicht vor, da eine detaillierte Aufarbeitung der noch vorhandenen Krankenakten aussteht. Ebenso ist unklar, inwieweit die Klinik an eugenischen Schwangerschaftsabbrüchen nach dem GzVeN oder an rassistisch bzw. kriegswirtschaftlich motivierten Abtreibungen bei Zwangsarbeiterinnen aus dem Osten beteiligt war. Noch 1931 hatte Heynemann gegen eugenische Abbrüche Stellung bezogen: „Eugenik kann nicht durch Unterbrechung der Schwangerschaft, sondern nur durch ihre Verhütung betrieben werden.“, erklärte er vor der Geburtshilflichen Gesellschaft Hamburg. 

Im April 1935 hatte Heynemann kein Problem damit, zusammen mit seiner damaligen Haushälterin und späteren Frau eine großbürgerliche Wohnung mit sieben Zimmern an der Rothenbaumchausssee zu beziehen, die zuvor von der Witwe des jüdischen Privatbankiers Paul Levy mit ihren beiden Kindern unter dem zunehmenden Verfolgungs- und Diskriminierungsdruck aufgegeben worden war. Die monatliche Kaltmiete von 260 Reichsmark wurde auf ein Sperrkonto der Witwe überwiesen. 1936 beschwerte sich Heynemann bei der Unterrichtsbehörde darüber, dass „der Zugang an eugenischen Sterilisierungen fast völlig aufgehört“ habe. Dies sei dem akademischen Unterricht zu diesem wichtigen Thema abträglich, erklärte er.

Trotz seines zumindest formalen Engagements für den Nationalsozialismus, das für viele seiner Kollegen nach dem Ende der Diktatur zumindest temporär zum Verlust ihrer Stellung führte, gehörte Heynemann zu den wenigen Professoren der Hamburger Medizinischen Fakultät, die schon kurz nach Kriegsende zur Wiedereröffnung der Universität im Amt bestätigt wurden. Dabei hat er sicherlich davon profitiert, dass die die britischen Militärbehörden bei der politischen Entnazifizierung der Hamburger Hochschulmediziner weniger rigoros vorgingen als Besatzer andernorts. Auch spielten Maßnahmen der „Rassenhygiene“ bei der Beurteilung keine Rolle. Im Vordergrund stand die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und der Hochschullehre.

Ausgewählte Publikationen
– Casuistische Beiträge Beiträge zur Kenntnis der Nagelerkrankungen. Diss med Univ Kiel 1904; – Die Bedeutung der hämolytischen Streptokokken für die Puerperalinfektion. Arch Gynak 1908; 86: 61-96; – Zur Methodik der Röntgenbestrahlung in der Gynäkologie. Strahlentherapie 1912; 1: 362-380; – Die diagnostische Verwertung der Röntgenstrahlen in der Geburtshilfe. Zschr Geburtsh Gynäk 1913; 73: 92-136; – Zur Eklampsiefrage. Zentralbl Gynäk 1920; 44: 812; – Entzündungen der Adnexe und des Beckenperitonieums. In: Josef Halban/Ludwig Seitz (Hrsg). Biologie und Pathologie des Weibes, Bd. 5, 1. Aufl., Berlin/Wien: Urban & Schwarzenberg 1924-1929, 20-98; – Die Tuberkulose der weiblichen Genitalien und des Beckenperitoneums. In: Johann Veit/Walter Stoeckel (Hrsg). Handbuch der Gynäkologie, 3., völlig neubearb. u. erw. Aufl., Bd. 8, 1. Teil. Bergmann: Berlin 1933, S. 179-465 

Gedruckte Quellen
GK 1928, S. 111 f.; GK 1939, S. 185–187; Herr Heynemann-Hamburg [Diskussionsbeitrag]. Arch Gynak 1931; 44: 363-364; [Heynemann, Diskussionsbeitrag] Zentralbl Gynäk 1931; 55:1295; Garn, Michaela. Zwangsabtreibung und Abtreibungsverbot. In:  Ebbinghaus, Angelika / Kaupen-Haas, Heidrun / Roth, Karl-Heinz (Hrsg). Heilen und Vernichten im Mustergau Hamburg. Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik im Dritten Reich. Konkret: Hamburg 1984, 37-40; Quellmann C. Theodor Friedrich Ernst Heynemann (1878–1951). Ein Leben für die Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. LIT Verlag: Münster, Hamburg, London 2002, 122; Pfäfflin F, Bussche Hvd. Die Zwangssterilisation Erbkranker. In: Bussche Hvd, Hrsg. Die Hamburger Universitätsmedizin im Nationalsozialismus. Reimer: Berlin, Hamburg 2014, 161; Guhl AF. Wege aus dem „Dritten Reich“. Die Entnazifizierung der Hamburger Universität als ambivalente Nachgeschichte des Nationalsozialismus. Wallstein: Göttingen 2019, 201; Batz, Michael. Das Haus des Paul Levy. Dölling u. Galitz: Hamburg 2021

Wolfgang Frobenius/Fritz Dross

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Hinselmann, Hans 

geb. 06. 08.1884, Neumünster, Schleswig-Holstein
gest. 18. 04.1959, Hamburg-Othmarschen

Jaschke, Rudolf Theodor Edler von 

geb. 17.08.1881, Pettau (Österreich) 
gest. 30.12. 1963, Garmisch-Partenkirchen

Kaufmann, Carl (auch: Karl)

geb. 21.08.1900, Malmedy (Belgien)
gest. 18.08.1980, Köln

Kehrer, Erwin Karl Adolph 

geb. 19.04.1874 Gießen
gest. 13.12.1959 Heidelberg

Kepp, Richard Kurt

geb. 07.02.1912, Hermannstadt (heute: Sibiu, Rumänien)
gest. 05.02.1948, Bremen

Kirchhoff, Heinz

geb. 04.06.1905, Wilhelmshaven
gest. 06.01.1997, Göttingen 

Knörr, Karl

geb. 12.11.1915, Zeltingen (Mosel)
gest. 03.05.1996,  ?

Kraatz, Helmut Willi Richard

geb. 06.08.1902, Wittenberg
gest. 13.06.1983, Berlin

Kupferberg, Heinz 

geb. 12.08.1862, Mainz
gest. 12.06.1946, Mainz

Lunenfeld, Bruno

geb. 11.02.1927, Wien  

Martius, Heinrich

geb. 02.01.1885, Berlin
gest. 17.02.1965, Göttingen

Mayer, August 

geb. 28.08.1876, Felldorf, Lkrs. Horb
gest. 11.10.1968, Stuttgart 

Menge, Karl [Carl] Gustav 

geb. 18.08.1864, Bad Kreuznach/Rheinland Pfalz
gest. 09.10.1945, München

Moraes, Arnaldo de

geb. 28.08.1893, Rio de Janeiro (Brasilien)
gest. 06.04.1961, ebenda

Nürnberger, Ludwig

geb. 17.07.1884, Aschbach bei Bamberg
gest. 03.04.1959, München

Orcoyen, Jesus Garcia

geb. 17.01.1903, Estenoz  (Navarra, Spanien)
gest. 25.05.1988, Madrid (Spanien) 

Papanicolaou, George Nicholas 

geb. 13.05.1883, Kymi (Euböa, Griechenland)
gest. 06.04.1961, Miami Beach (Florida, USA)

Schultze, Bernhard Sigmund

geb. 29.12.1827, Freiburg i. Br.
gest. 17.04.1919, Jena

Skutsch, Felix 

geb. 14.01.1861, Königshütte, Oberschlesien (heute: Chorzów, Polen)
gest. 19.02.1951, Leipzig

Tapfer, Siegfried

geb. 09.07.1900, Neumarkt, Südtirol (Italien)
gest. 27.03.1981, Innsbruck, Tirol (Österreich)

Runge, Hans 

geb. 18.04.1892, Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern)
gest. 16.10.1964, München

Schröder, Robert 

geb. 03.08.1884, Rostock
gest. 13.10.1959, Leipzig

Seitz, Ludwig

geb. 24.05.1872, Pfaffenhofen an der Roth
gest. 19.06.1961, ebenda

Skutsch, Felix

geb. 14.01.1861, Königshütte, Oberschlesien (heute Chorzów, Polen)
gest. 19.02.1951, Leipzig

Stieve, Hermann

geb. 22.05.1886, München
gest. 06.09.1952, Berlin

Stoeckel, Walter 

geb. 14.03.1871, Stobingen bei Insterburg (Ostpreußen) 
gest. 12.02.1961, Berlin 

Taylor, Howard Channing

geb. 17.02.1900, New York City, USA
gest. 22.03.1985, ebenda

Wagner, Georg August

geb. 23.09.1873, Prag
gest. 15.08.1947, Garmisch-Partenkirchen

Westmann, Axel 

geb. 29.12.1894, Stockholm (Schweden)
gest. 29.05.1960, ebenda