Alfieri, Emilio
geb. 13.12.1874, Mailand (Italien)
gest. 10.05.1948, Mailand (Italien)
Familie
V: Alfieri, Paolo
M: Cristina, geb. Dotti
∞ 1905 Adelaide, geb. Caccia
Ausbildung
Studium der Medizin und der Chirurgie in Pavia, ab 1894 als Zögling des dortigen Elite-Internates Almo Collegio Borromeo; 1898 Examen (Pavia)
Akademische Karriere
1902 Privatdozent (Parma); 1904 Dozent für Geburtshilfe und Chirurgie (Parma);1909 o. Prof. (Perugia); 1919 o. Prof. (Pavia); 1927 o. Prof. (Mailand); 01.11.1947 Emeritierung
Weiterbildung und berufliche Karriere
1898 Assistent der Gynäkologieprofessoren Luigi Mangiagalli (1850-1928) und Innocente Clivio (1862-1956) in Pavia bzw. Parma; in Pavia außerdem Schüler des Histopathologen Camillo Golgi (Nobelpreis 1906); 1908 Direktor des gynäkologisch-geburtshilflichen Instituts in Perugia; 1915-1918 Militärarzt und Frauenarzt in Cagliari; 1919-1927 Direktor der Universitätsfrauenklinik und Hebammenschule (Pavia); 1928-1948 Direktor der nach seinem Lehrer Mangiagalli benannten Frauenklinik der Regia Universität Mailand (über die Emeritierung hinaus bis zu seinem Tod)
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGGG
1937 Ehrenmitglied
Vita
Emilio Alfieri, Schüler des berühmten Mailänder Gynäkologen und Politikers Luigi Mangiagalli (1850-1928) sowie des 1906 mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Histopathologen Camillo Golgi (1843-1926), zählt zu den bedeutenden italienischen Frauenärzten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Tätigkeit umfasste die Geburtshilfe im weitesten Sinne: Zur Verbesserung ihrer Ergebnisse setzte er nicht nur auf innovative medizinische Maßnahmen, sondern auch auf effektive soziale Hilfen bei der Betreuung von Frauen und ihren Kindern in der Schwangerschaft, bei der Geburt sowie im Wochenbett. Eine Zusammenfassung seiner vielen Publikationen dazu findet sich in dem Sammelband „Per la tutela della maternità e la difesa della stirpe. Scritti medico-sociali (1905-1939)“ [Für den Schutz der Mutterschaft und die Erhaltung der Rasse. Medizinisch-soziale Schriften (1905-1939)].
Während seines Direktorates in der Mailänder Universitätsfrauenklinik von 1928 bis 1948 führte Alfieri umfangreiche Renovierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen durch. So eröffnete er eine geburtshilflich-gynäkologische Ambulanz, in der 1931 schon 5000 Patientinnen betreut wurden. Zur Verbesserung der Versorgung der Neugeborenen bezog er zunehmend Ärzte der benachbarten Kinderklinik ein, sorgte für spezielle Untersuchungs- und Pflegeeinheiten und nahm schließlich einen Kinderarzt fest in das geburtshilflich Team auf. 1934 richtete er ein Zentrum zur Diagnostik und Therapie von Geschlechtskrankheiten ein, 1940 folgte eine analoge Institution zur Erforschung und Behandlung der Ehesterilität.
Neben diesem Engagement war Alfieri auch in der gynäkologischen Onkologie aktiv. Er förderte die Früherkennung und die operative Behandlung von Uteruskarzinomen. Als in Mailand das staatliche Krebsinstitut „Vittorio Emanuele III“ gegründet wurde, gliederte er die gynäkologische Onkologie der Klinik in das Institut ein und übernahm dessen Leitung. 1942 publizierte er die Langzeitergebnisse der von ihm persönlich durchgeführten Hysterektomien nach der Technik von Wertheim.
Bei all seinem sozialmedizinischen Engagement und seiner Aufgeschlossenheit gegenüber dem fachlichen Fortschritt war Alfieri ein entschiedener Gegner jeder Form von Geburtenkontrolle. Er lehnte alle Formen der Kontrazeption, Schwangerschaftsunterbrechungen sowie Sterilisationen kategorisch ab und war damit einer der eifrigsten Unterstützer der pronatalistischen Bevölkerungspolitik, die das faschistische italienische Regime unter Mussolini ab 1927 verfolgte. In diesem Zusammenhang ist auch seine Unterstützung der „Opera Nazionale Maternità e Infanzia“ (OMNI) zu sehen, die sich der Aufwertung der Mutterschaft „im Dienste der Zukunft der Rasse“ verschrieben hatte.
Paola Zocchi, die sich intensiv mit Alfieri beschäftigt hat, beschreibt ihn als einen Gynäkologen, der sich einerseits einer ganzheitlichen, modernen und wissenschaftlich geprägten Frauenheilkunde verpflichtet fühlte. Andererseits sei er aber auch einer Ideologie zugeneigt gewesen, die Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillen als den „vollkommenen Sexualzyklus“ betrachtete. In Gegensatz dazu habe er den „unvollkommenen Sexualzyklus“ gestellt, der „das Endziel der genitalen Aktivität“, nämlich „die Erhaltung der Art“ nicht erreiche.
Ausgewählte Publikationen
Per la tutela della maternità e la difesa della stirpe. Scritti medico-sociali (1905-1939). — Gravidanza bigemina monocoriale e monoamniotica, L. F. Cogliati: Mailand 1903. — La protezione della maternità di fronte al problema demografico. Maternità e infanzia 1930; 3: 281. Viana O, Vozza F, Alfieri E, Piccinini P, Pestalozza E & Ancarani AG (1933). L'ostetricia e la ginecologia in Italia. Società italiana di ostetricia e ginecologia. — Gli ormoni estrogeninella genesi die tumori. Florenz 1938. — I resultati a distanza della istero-annessectomia allargata alla Wertheim per la cura del cancro del collo uterino nella mia practica personale alla Clinica ostetrica e ginecologica della R. Universitá di Milano. Annali di obstetricia e ginecologia 1942; 3: 191-197. — La ginecologia. Suo campo di studio e di azione. Suoi limiti e territori di confine. Annali di ostetricia e ginecologia 1948; 1:3-14.
Gedruckte Quellen
Zocchi, Paola. La Clinica ostetrico-ginecologica di Milano da Luigi Mangiagalli a Emilio Alfieri (1906-1948). In: Gian Paolo Brizzi (Hg.). Per una storia dell’Università di Milano. Bologna 2008. Bock G, Franchini AF. Emilio Alfieri (1874-1949). Nota biografica. In: G Bora, Garavaglia D. Spagnolo Martella. Arte e Medicina: le suggestioni di una grande collezione libraria. Milano: Skira 2005, 15-16.
Internet
Universität Calgari. Laura Cogoni. Alfieri Emilio. https://archiviostorico.unica.it/persone/alfieri-emilio ; https://www.apice.unimi.it/collezioni/fondo-alfieri/ ; Francesco Cassata. Quality through quantity. Eugenics in Fascist Italy. In: Francesco Cassata. Building the new man. Eugenics, Racial Science and Genetics in Twentieth-Century Italy. Central European University Press: Budapest 2011, 135-221. https://books.openedition.org/ceup/726 .
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Amreich, Isidor Alfred
geb. 22.04.1885, Gars am Kamp (Österreich)
gest. 08.09.1972, Wien
Familie
V: Isidor (sic!) Amreich, Gemeindearzt
M: Josefine, geb. List
∞ 1924: Augustine Josefa, geb. Drescher
Ausbildung
1903 Matura (Humanist. Gymnasium Krems/Donau); bis 1910 Medizinstudium (Wien)
Akademische Karriere
1910 Promotion (Wien); 1923 Habilitation (Wien); 1936 o. Prof. (Innsbruck); 1939 o. Prof. (Wien); 1945 Entzug der Lehrbefugnis
Weiterbildung und berufliche Karriere
1910–12 Ass. am II. Anat. Inst. (Hochstetter); 1912–14 sowohl Ass. der I. UFK (Piskacek, Schauta) als auch der I. Chir. Klinik (Eiselsberg); 1914–18 Frontdienst in der IV. mob. Chirurgengruppe Eiselsberg; ab 1919 erneut Assistent an der I. UFK Wien (Schauta, ab 1920 v. Peham); 1928–36 Privatpraxis; 1936 Leiter der UFK Innsbruck; ab 1939 Dir. der I., 1943 der II. UFK Wien; 05/1945 Entzug der Lehrbefugnis; kurzfristige Internierung im Entnazifizierungslager Wolfsberg; ab 1948 Genehmigung zur Privatpraxis; 1953 Ruhestand
NS-Organisationen
11.01.1934 NSDAP; 1934 SA; ab 03/1938 SS (1939 Untersturmführer, 1942 Obersturmführer, SS-Winkelträger, Julleuchter, 12/1944 Antrag auf Aufnahme in die „Akademische Legion“ des Höheren SS- und Polizeiführers Wiens); Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
Mitglied seit 1922, 1937-1941 Beisitzer; 1951 korrespondierendes Mitglied, 1956 Ehrenmitglied
Vita
Isidor Alfred Amreich, Sohn des Gemeindearztes Isidor (sic!) Amreich aus dem niederösterreichischen Gars, zählt zu den bedeutenden Vertretern der operativen Schule der Wiener Gynäkologie. Er hat Wesentliches zur Weiterentwicklung der vaginalen Operation des Zervixkarzinoms nach Karl Schuchardt (1856-1901) und Friedrich Schauta (1849-1919) beigetragen sowie sich mit großem Engagement der Ausbildung des Nachwuchses auf diesem Gebiet gewidmet. Seine OP-Technik gilt als das radikalste aller beschriebenen Verfahren („Schuchardt-Schauta-Amreich-Operation“). Außerdem übernahm Amreich nach dem Tod von Josef Halban (1870-1937) dessen Rolle als Mitherausgeber des zehnbändigen Handbuchs „Biologie und Pathologie des Weibes“, das außer ihm von Ludwig Seitz (1872-1961) verantwortet wurde. Der letzte Band dieses Standardwerkes erschien 1955.
Die grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten zur Ausarbeitung seiner vaginalen OP-Technik erwarb Amreich während seiner anatomischen und chirurgischen Ausbildung zwischen 1910 und 1914, wobei er von 1912 an gleichzeitig Assistent von Schauta in der I. UFK Wien war. Die Anatomie lehrte ihn der als subtiler Präparator bekannte Ferdinand Hochstetter (1861-1954), die allgemeine Chirurgie der Billroth-Schüler Anton von Eiselsberg (1860-1939). In der mobilen Chirurgentruppe des Letzteren behandelte Amreich im Ersten Weltkrieg in unmittelbarer Nähe der Front u. a. schwere Bauchschussverletzungen.
1919 kehrte Amreich wieder in die I. UFK Wien zurück, deren Leitung nach dem Tod Schautas ab 1920 Heinrich v. Peham (1871-1930) übernommen hatte. Bei ihm habilitierte er sich 1923 mit seiner Darstellung der Erweiterung der Technik der Schuchardt-Schauta-Operation. Die reich illustrierte einschlägige Arbeit, in der nach einer genauen Beschreibung der anatomischen Verhältnisse auch der praktische Ablauf der Operation in einzelnen Schritten geschildert wird und erste Behandlungsfälle dokumentiert sind, erschien im Jahr darauf im „Archiv für Gynäkologie“. Mit Amreichs Namen verbunden ist außerdem eine organerhaltende Operation des Scheidenstumpfprolapses, die von seinem Schüler Kurt Richter (1915-1989) besonders gepflegt wurde (Amreich-Richter-OP).
Amreichs unstrittige Verdienste als Wissenschaftler, Hochschullehrer und Arzt werden durch die Tatsache überschattet, dass er sich als überzeugter Nationalsozialist präsentierte. Bereits 1934 trat er der in Österreich wegen ihrer terroristischen Umtriebe illegalen NSDAP sowie der SA bei. Im März 1938, offenbar kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs, wurde er zudem Mitglied der SS (1939 Untersturmführer, ab 1942 Obersturmführer). Amreich gehörte damit als einziger Wiener Hochschullehrer allen drei NS-Organisationen an. Noch im Dezember 1944 beantragte er die Aufnahme in die „Akademische Legion“ des Höheren SS- und Polizeiführers in Wien.
Ob und – wenn ja – in welchem Ausmaß Amreich in seiner Karriere als Klinikdirektor von seinem Engagement für den Nationalsozialismus profitiert hat, muss noch offenbleiben. Klar ist indes, dass seine Mitgliedschaft in den bis 1938 illegalen Parteigliederungen ihm keineswegs geschadet hat. Sein erstes Ordinariat in Innsbruck erlangte er 1936, nachdem er die I. UFK Wien acht Jahre zuvor verlassen hatte und in privater Praxis in Wien tätig geworden war. 1939 trat er mit seiner Rückkehr an die I. UFK Wien die Nachfolge des aus rassischen Gründen vertriebenen Heinrich Kahr (1888-1947) an. In der Klinik wurden zwischen Januar 1941 und März 1942 nach der Übernahme des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) mindestens 62 Frauen zwangsweise unfruchtbar gemacht. Die Leitung der damals im Vergleich zur I. UFK ungleich größeren und als „Wertheim-Klinik“ apostrophierten II. UFK Wien wurde Amreich 1943 nach der Emeritierung von Wilhelm Weibel (1876-1945) übertragen. In Wien lebte er seit 1939 in einer „arisierten“ Wohnung.
Wegen seiner Zugehörigkeit zur SS hat die alliierte Besatzung Amreich am 10. Mai 1945 als Hochschullehrer und Klinikdirektor suspendiert. Der Amtsenthebung folgte eine Internierung im Entnazifizierungslager Wolfsberg in der Steiermark. Zwei ehemalige Kollegen, darunter der rassisch verfolgte und in die USA emigrierte Emanuel Klaften (1892-1971), setzten sich jedoch schon kurze Zeit später erfolgreich für seine Freilassung ein. Amreichs universitäre Laufbahn war allerdings an ihr Ende gelangt. Der Betriebsrat des Allgemeinen Krankenhauses Wien bezeichnete ihn als radikalen Nationalsozialisten, dessen „Ausscheidung dringend geboten“ sei. Mit seinen langjährigen Bemühungen um Rehabilitierung erreichte Amreich nur, dass er ab 1948 wieder eine private gynäkologische Praxis betreiben konnte.
Die DGG hat Amreich für ihren ersten Nachkriegskongress 1949 in Karlsruhe zu einem Grundsatzreferat über „Die vaginale Operationskunst“ eingeladen. 1956 ernannte sie ihn zu ihrem Ehrenmitglied. 1964 verlieh die Universität Innsbruck Amreich die Würde eines Ehrensenators — eine Auszeichnung, die von der Hochschule inzwischen als problematisch eingestuft wird.
Ausgewählte Publikationen
– Zur Anatomie und Technik der erweiterten vaginalen Carcinomoperation. Arch Gynak 1924; 122: 497-553; — (mit H. Peham). Gynäkologische Operationslehre. Berlin: Karger, 1930; — Ätiologie und Operation des Scheidenstumpfprolapses. Wien Klin Wochenschr 1951, 63: 74-77; — Klinik und operative Behandlung des Uteruskarinoms. In: Seitz L, Amreich IA (Hrsg.). Biologie und Pathologie des Weibes, IV. Bd, 1. Teil, Berlin/Innsbruck u. a.: Urban & Schwarzenberg 1955, 784-1108
Archivalische Quellen
Kath. Kirchenbücher Wien, Votivkirche, Trauungsbuch (1923-24, ancestry.de); Bundesarchiv Berlin: R 9361-III/514522 u. R 9361-IX Kartei /461513
Gedruckte Quellen
Fauvet, Egon. Die vaginale Operation des Cervixkrebses (Schuchardt, Schauta, Amreich). In: Karl-Günther Ober/Helmut Meinrenken (Hrsg.). Gynäkologische Operationen. Berlin/Göttingen u. a.: Springer, 1964, 210–241; Richter, Kurt. Beziehungen zwischen der Wiener und der Berliner operativen Gynäkologie. In: Lutwin Beck (Hrsg.). Zur Geschichte der Gynäkologie und Geburtshilfe. Aus Anlaß des 100jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Berlin/Heidelberg/New York u. a.: Springer, 1986, 277–298; Schaller A. Die Wertheim-Klinik. Eine Geschichte der II. Universitäts-Frauenklinik in Wien. Wien, München, Bern: Wilhelm Maudrich, 1992, 180–183; Spring CA. Zwischen Krieg und Euthanasie: Zwangssterilisationen in Wien 1940–1945. Wien: Böhlau, 2009, 263. DOI: 10.25595/413; Pfefferle R, Pfefferle H. Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren. Schriften des Archivs der Universität Wien, Bd. 18. Göttingen: V&R Unipress; 2014, 175-176; Dross F, Frobenius W, Thum A. „Wir können ihr Geschick nicht wenden“. Die jüdischen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie im Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch. Berlin/Leipzig: Hentrich & Hentrich, 2020, 129-132
Internet
Isidor Alfred Amreich. https://de.wikipedia.org/wiki/Isidor_Alfred_Amreich ; https://dewiki.de/Lexikon/Isidor_Alfred_Amreich#cite_note-2 ; Isidor_Alfred_Amreich Universität Innsbruck. Ehrensenator Isidor Alfred Amreich (1885–1972). https://www.uibk.ac.at/de/universitaet/profil/geschichte/ehrungen-biografien/amreich/
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Anderes, Ernst
geb. 14.02.1883, Frauenfeld (Thurgau, Schweiz)
gest. 10.08.1952, Lenzerheide (Graubünden, Schweiz)
Aschheim, Selmar
geb. 04.10.1878, Berlin
gest.15.02.1965, Paris
Familie
V: Heymann Aschheim, Kaufmann
M: Ernestine, geb. Hirschberg
∞ 1919 Eva, geb. Fließ
Ausbildung
1896 Reifeprüfung am Askanischen Gymnasium (Berlin); 1896–1901 Medizinstudium (Berlin, Freiburg i. Br.); 1901 Approbation (Freiburg i. Br.)
Akademische Karriere
1901 Promotion (Freiburg i. Br.); 1931 Honorarprofessor der Universität Berlin; zum 01.12.1935 Entzug der Lehrbefugnis; 1955 Ernennung zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin; 1960 Ehrendoktor der Humboldt-Univ. Berlin
Weiterbildung und berufliche Karriere
1901-1903 Städt. Entbindungsanstalt Berlin (Richard Schaeffer); 1903-1904 Ass. an der I. UFK München (Franz von Winckel) sowie 1904-1905 an der Hamburger Privatklinik von Ludwig Prochownick; 1905 Niederlassung als Gynäkologe und Geburtshelfer in Berlin; ab 1908 Mitarbeit bei Robert Meyer im Labor der II.UFK Berlin (Charité); ab 1912 Vorstand dieses Labors bis zu seiner Entlassung
Verfolgungsgeschichte im NS
Am 22.02.1936 rückwirkend zum 31.12.1935 Entzug der Lehrbefugnis; 1936 Emigration nach Frankreich (Paris); während der Besatzung durch die Deutschen 1940-1944 Leben im Untergrund
Berufliche Laufbahn nach der Verfolgung
In Paris zunächst Tätigkeit am Collège de France und am Krankenhaus Beaujon, später an der Universitätsfrauenklinik Maternité de Port Royal; Maitre, dann Directeur de Recherche am Centre National de la Recherche Scientifique; 1951 Versetzung in den Ruhestand
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
Mitglied seit 1905, 1952 Ehrenmitglied
Vita
Selmar Aschheim wird als einer der Pioniere der gynäkologischen Endokrinologie meist in einem Atemzug mit seinem Kollegen Bernhard Zondek (1891-1966) genannt. Beide sind Ende der 1920er Jahre als Erfinder des ersten biologischen Schwangerschaftstests in die Medizingeschichte eingegangen. Obwohl wegen ihrer Arbeiten international hoch anerkannt, teilten sie als jüdische Deutsche im Nationalsozialismus das Schicksal von Entrechtung, Amtsenthebung und Vertreibung. Im Gegensatz zu vielen Leidensgenossen, die zwar flüchten, aber in der Emigration beruflich nicht mehr reüssieren konnten, setzten Aschheim und Zondek ihre klinische und wissenschaftliche Arbeit erfolgreich fort – Ersterer in Frankreich, Letzterer in Palästina.
Mit dem Schwangerschaftstest, der als „Aschheim-Zondek-Reaktion (AZR)“ bezeichnet wurde, ließ sich eine Gravidität schon wenige Tage nach dem Ausbleiben der Menstruation sicher nachweisen. Das zugrunde liegende Prinzip, eine Reaktion von Versuchstieren auf die Injektion von Schwangerenurin, kam nach seiner Entdeckung über Jahrzehnte bis zur Entwicklung des biochemischen Nachweises von Humanem Choriongonadotropin (HCG) zur Anwendung. Während Aschheim und Zondek die Diagnose noch an typischen Veränderungen der Ovarien juveniler Mäuse stellten, wurden später Frösche verwendet. Der „Frosch-Test“, der in Apotheken durchgeführt werden konnte, hatte den Vorteil, dass die Versuchstiere nicht getötet werden mussten und eine positive Reaktion innerhalb von Stunden erkennbar wurde (Absetzen von Laich bzw. Spermien).
Die Beschreibung der AZR war aber nur eine Facette der Arbeiten, mit denen Aschheim und Zondek in den 1920er Jahren in der Frauenklinik der Berliner Charité vor der Identifikation und chemischen Darstellung der Sexualhormone jene Forschung vorantrieben, die sich mit der Suche nach diesen zwar postulierten, aber noch nicht genau definierten Substanzen in Geweben und Körperflüssigkeiten sowie mit deren Wirkungen befasste. Dabei konnten sie außerdem unabhängig von und nahezu gleichzeitig mit dem US-Endokrinologen Philipp Edward Smith (1884-1970) zeigen, dass „das Hypophysenvorderlappenhormon […] der Motor der Sexualfunktion [ist]“. Ferner fanden sie heraus, dass im Harn Schwangerer im Gegensatz zum ovariellen Gewebe sehr viel östrogene Aktivität vorhanden ist. Damit war ein Substrat gefunden, aus dem Biochemiker 1929 Östron als erstes Sexualsteroid isolieren und in kristalliner Form rein darstellen konnten.
Aschheims wissenschaftliche Tätigkeit hatte sich aus der Praxis als niedergelassener Frauenarzt entwickelt, die er ab 1905 ausübte. 1908 begann eine zunächst halbtägige Mitarbeit im Labor des berühmten Gynäkopathologen Robert Meyer (1864-1947) in der Charité (II. UFK). Als Meyer 1912 an die I. UFK wechselte, wurde Aschheim die Leitung des Labors übertragen, die er mit Unterbrechung durch seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg bis 1935 innehatte.
Zondek war 1920 als Assistent in die Charité-Frauenklinik eingetreten. Die so erfolgreiche Zusammenarbeit des Laborleiters und des Assistenten ging auf eine Anregung des damaligen Klinikdirektors Karl Franz (1870-1926) zurück. Sie schlug sich ab 1925 in gemeinsamen Publikationen nieder. Mit der Präsentation ihrer Forschungsergebnisse sorgten die beiden jüdischen Frauenärzte auch auf den Kongressen der seinerzeitigen DGG bis zum Beginn der Nazi-Diktatur für wissenschaftliche Höhepunkte. Zuletzt erstatteten beide Forscher 1931 große Referate zur Bedeutung des Hypophysenvorderlappens, in denen sie Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit zusammenfassten. Allerdings deuteten sich damals in bestimmten Punkten bereits differierende Ansichten an.
Während Zondek schon 1923 mit einer klinisch-experimentellen Arbeit zur Endokrinologie die Lehrberechtigung erworben hatte, widmete Aschheim seiner wissenschaftlichen Karriere offenbar weitaus weniger Energie als seinen Forschungsarbeiten. Nie habilitiert, wurde er erst 1931 zum Honorarprofessor ernannt. Nur wenige Jahre später schützte allerdings auch der „Frontkämpferparagraph“ den damals 57-Jährigen nicht mehr vor nationalsozialistischer Verfolgung. 1936 wurde ihm die Lehrberechtigung entzogen. Interventionen seines damaligen Chefs Georg August Wagner (1873-1945) waren vergeblich. Im selben Jahr emigrierte er nach Frankreich und erwarb dort die französische Staatsbürgerschaft. Seine wissenschaftliche Arbeit wurde bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 1951 nur während der Besatzung durch die deutschen Truppen unterbrochen, die ihn in den Untergrund zwang.
Zondek hatte die Charité bereits 1929 verlassen, um die Leitung der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Städtischen Krankenhauses in Berlin-Spandau zu übernehmen. Ihm wurde schon 1933 die Lehrberechtigung entzogen. Nach einem kurzen Aufenthalt im schwedischen Exil flüchtete er 1934 weiter nach Jerusalem. Dort übertrug man ihm an der Hebrew University Hadassah Medical School eine Professur und ernannte ihn zum Direktor des Hormonlabors. 1961 wurde er emeritiert.
Aschheim und Zondek gehören zu den DGG-Mitgliedern, die 1933 auch von ihrer Fachgesellschaft pauschal ausgegrenzt worden waren. Dennoch akzeptierte Ersterer 1952 die ihm angetragene Ehrenmitgliedschaft und nahm die Urkunde persönlich in Empfang. Von Zondek ist nicht bekannt, ob ihm diese Auszeichnung ebenfalls zuteil werden sollte und er sie womöglich abgelehnt hat.
Ausgewählte Publikationen
– Zur Kenntnis der Erythrocytenbildung. Diss med Univ Freiburg i. Br. 1902; – Über die Funktion des Ovariums. Z Geburtsh Gyn 1926, 90: 387-392; – Weitere Untersuchungen über Hormone und Schwangerschaft. Arch Gynak 1927, 132: 179-186; – (mit Bernhard Zondek) Schwangerschaftsdiagnose aus dem Harn (durch Hormonnachweis) Klin Wochenschr 1928, 7: 8-9; – (mit Walter Hohlweg) Über das Vorkommen östrogener Wirkstoffe in Bitumen. DMW 1933, 59: 12-14; – Sur la stabilité des hormones gonadotropes dans leurs tissue d’origine. Compt rend de l’Académie des Sciences 1956, 242: 3115-3118.
Gedruckte Quellen
GK 1928; Simmer, Hans H.: Gynäkologische Endokrinologie in den Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie von 1886 bis 1935. Beiträge deutschsprachiger Frauenärzte. In: Lutwin Beck (Hg.): Zur Geschichte der Gynäkologie und Geburtshilfe. Aus Anlaß des 100jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Berlin/Heidelberg/New York u. a. 1986, S. 202–207; Hinz, Georg/Ebert, Andreas D./Goetze, Birgit: Der Exodus. Robert Meyer, Selmar Aschheim und Bernhard Zondek. Drei Namen für Tausende. In: Andreas D. Ebert/Hans Karl Weitzel (Hg.): Die Berliner Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie 1844–1944. Berlin/New York 1994, S. 206–242; : Bettendorf, Gerhard (Hg.): Zur Geschichte der Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Berlin 1995, S. 12-14; Simmer, Hans H.: Der Berliner Pathologe Ludwig Pick (1868–1944). Leben und Werk eines jüdischen Deutschen. Husum 2000, S. 56; Rudloff, Udo/Ludwig, Hans: Jewish gynecologists in Germany in the first half of the twentieth century. Arch Gynecol Obstet 2005, 272: 245–260, DOI 10.1007/s00404-005-0046-6; Rohde, Wolfgang/Hinz, Georg: Endokrinologische Forschung an der Charité-Frauenklinik (II. Universitäts-Frauenklinik) 1908–1951, zugleich Keimzelle des 1951 gegründeten Instituts für Experimentelle Endokrinologie der Charité. In: Matthias David/Andreas D. Ebert (Hg.): Geschichte der Berliner Universitäts-Frauenkliniken: Strukturen, Personen und Ereignisse in und außerhalb der Charité. Berlin/New York 2009, S. 131–142. Dross: Geschick (2020)
Internet
http://www.myheritage.de/names/selmar_aschheim
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Berkeley, George Comyns
geb. 16.10.1865, Notting Hill, London (UK)
gest. 27.01.1947, Middlesex Hospital, London (UK)
Familie
V: George Augustus Berkeley, Importkaufmann
M: Sarah Louisa, geb. Moore
∞ 1894 Ethel Rose, geb. Fordham
Ausbildung
1883-1887 Studium Generale der Naturwissenschaften am Caius College der Universität Cambridge; 1887-1892 Medizinstudium am Middlesex University Hospital London; ab 1892 Fortbildung am „Brompton Heart and Lung Hospital“ sowie an der Kinder- und Frauenklinik des Middlesex University Hospitals
Akademische Karriere
1887 B.A. Natural Sciences (Caius College Cambridge); 1892 Bachelor of Medicine and Surgery (Middlesex University Hospital London)
Weiterbildung und berufliche Karriere
1895-1901 Facharztausbildung am Chelsea Hospital for Women (London); 1903 Geburtshelfer (Physican-Accoucheur) und ab 1905 bis 1930 Senior Gynaecological Surgeon am Middlesex University Hospital London; 1914-1918 zusätzlich in Intervallen verantwortlicher Chirurg am Clacton Military Hospital (Clacton-on-See);1919-1943 verantwortlicher Herausgeber des British Journal of Obstetrics and Gynaecology (BJOG); 1928-1939 Leiter des „Radium Centre“ am Middlesex; 1929 britischer Vertreter in der Radium-Kommission des Völkerbundes; neben der Tätigkeit am Middlesex Consulting Surgeon an mehreren anderen Londoner Kliniken; Mitglied, Prüfer und für eine Dekade Vorsitzender des Central Midwives Board
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGGG
1937 Ehrenmitglied
Vita
George Comyns Berkeley gehörte in den 1920er und 1930er Jahren zu den prägenden Persönlichkeiten der Frauenheilkunde im Vereinigten Königreich (UK). Ohne Professorentitel wirkte er nahezu sein ganzes Berufsleben als erfolgreicher Hochschullehrer und wissenschaftlicher Publizist sowie als renommierter Geburtshelfer und gynäkologischer Operateur am Middlesex University Hospital London. Er war Mitbegründer des Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG), des Royal College of Nursing (RCON) und Autor erfolgreicher Lehrbücher für angehende Fachärzte, Hebammen und Allgemeinmediziner. Von 1919 bis 1934 leitete er als Editor-in-Chief das BJOG.
Von seiner eigenen Ausbildung her stand Berkeley noch in der Tradition der „alten“ englischen Universitäten, in denen die Fokussierung auf die Lehre und die Persönlichkeitsbildung eine herausgehobene Rolle spielte. Sein Interesse an der Forschung war gering. So konzentrierte er sich als anerkannt exzellenter Lehrer auf die Ausbildung, das Verfassen einschlägiger Fachbücher, seine Arbeit als Zeitschriften-Herausgeber sowie nicht zuletzt auf seine umfangreiche klinische Tätigkeit nicht nur am Middlesex, sondern auch an anderen Londoner Kliniken. Ein Schwerpunkt lag dabei in der Onkologie – speziell in der operativen und radiologischen Therapie des Zervixkarzinoms.
Von großer Bedeutung für die Karriere von Berkeley war die Begegnung mit dem Fachkollegen Victor Bonney (1872-1953), dessen Name heute noch als Eponym für einen Test in der gynäkologischen Urologie gegenwärtig ist (Bonney-Test). Sie begann 1898 im Chelsea Hospital for Women und mündete in eine jahrzehntelange freundschaftliche Zusammenarbeit am Middlesex. So bemühten sich beide, mit Unterstützung des berühmten Chirurgen John Bland-Sutton (1855-1936) die damals noch in den Kinderschuhen steckende operative Gynäkologie voranzutreiben, indem sie die zu dieser Zeit neue Wertheimsche Operation übernahmen. Die ersten dieser Eingriffe hätten sie einander assistiert, schrieb Bonney in einem Nachruf auf seinen Kollegen und Freund. In der Folge entstand in den Jahren bis 1911 eine gemeinsame gynäkologische Operationslehre, die bis 1941 vier Auflagen erlebte.
Auch auf geburtshilflichem Gebiet übte Berkeley erheblichen Einfluss aus. Seine Bemühungen als akademischer Lehrer und als langjähriges Mitglied des Central Midwives Board galten dabei gleichermaßen der Verbesserung der Ausbildung von Ärzten und Hebammen durch Anhebung der geltenden Standards. Außerdem setzte er sich für die Einführung von Maßnahmen zur Mutterschaftsvorsorge ein, deren Fehlen er für viele mütterliche und kindliche Todesfälle verantwortlich machte. Heftige Reaktionen in der Ärzteschaft löste ein Vortrag aus, den er 1923 vor der British Medical Association über die Verwendung und den Missbrauch der Zange hielt. Seine „ Gynaecology for Nurses and Gynaecological Nursing“ erlebte bis 1943 neun Auflagen.
Ungeachtet seiner rastlosen beruflichen Tätigkeit galt Berkeley als „Bon viveur“ und bewundernswerter Gastgeber. Er förderte das soziale Leben am Middlesex Hospital nach Kräften, bezog seine Studenten und Mitarbeiter ein und konnte so ein leistungsfähiges Department formen. Ob er seine ausgedehnten Auslandsreisen wie seine amerikanischen Kollegen auch zu „clinical visits“ in deutschen oder österreichischen Frauenkliniken genutzt hat, ist unklar. Die Ernennung zum Ehrenmitglied der seinerzeitigen DGG wird in einem Nachruf von 1946 erwähnt. König George V schlug Berkeley am 30. Juni 1934 zum Ritter.
Ausgewählte Publikationen
(mit V. Bonney). A textbook of Gynaecological Surgery. London: Cassel, 1911). — Gynaecology for Nurses and Gynaecological Nursing. London 1910. — (mit V. Bonney). The Difficulties and Emergencies of Obstetric Practice. J.&A. Churchill: London 1913. — (mit V. Bonney). A Guide to Gynaecology in General Practice. H. Frowde: London 1915. — (mit M. Ch. Cantab) Discussion on the use and abuse of obstetric forceps. BMJ 1923; 2 (3275): 600-609. — (mit V. Bonney und D. MacLeod) The Abnormal in Obstetrics. London 1938.
Gedruckte Quellen
Steer, Philipp J. BJOG Editor-in-Chief number 7: George Comyns Berkeley 1919-1943. BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology 2017; 124 (3): 356. DOI: 10.1111/1471-0528.14370 ; Anonymus. Sir Comyns Berkeley, M.D., M.Ch. F.R.C.P., F.R.C.S., F.R.C.O.G., M.M.S.A. [Nachruf mit einem Anhang von V. Bonney]. Br Med J 1946; 1: 221-222 ; https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC2058063/pdf/brmedj03819-0031.pdf Frobenius W. Imagepflege mit „linientreuen“ Ausländern (Ehrenmitgliedschaften Teil 4). Geburtsh Frauenheilk 2024; 84: 114–120; DOI 10.1055/a-2208-1622
Internetquellen
Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Comyns_Berkeley ;
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Beruti, Josué
geb. 1882
Bickenbach, Werner
geb. 14.04.1900, Solingen
gest. 15.07.1974, München
Boldt, Hermann Johannes
geb. 24.06.1856, Neuentempel (Brandenburg)
gest.12.01.1943, St. Petersburg, Florida (USA)
Familie
V: Hermann Julius Ludwig Boldt
M: Amalie Christiane Boldt
∞ 1891 Hedwig Krüger
Ausbildung
Public und High School in New York City, Studium der Pharmazie (Examen 1877) und der Medizin (Examen 1879) an der New York University
Akademische Karriere
1891 Professor of Gynecology (Post-Graduate Medical School New York City), 1917 emeritiert
Weiterbildung und berufliche Karriere
Mitbegründer und Arzt an der „German Poliklinik“, Arzt am St. Mark´s Hospital in New York City; dort auch Consulting Gynecologist an anderen Kliniken der Stadt (u. a. Stuyvesant Polyclinic [sic] Hospital, Beth Israel Medical Center); Ruhestand ab 1929
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGGG
Mitglied seit 1909, Ehrenmitglied seit 1937
Vita
Hermann Johannes Boldt, Sohn deutscher Einwanderer in New York City (USA), zählt offensichtlich zu den besonders profilierten amerikanischen Gynäkologen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Er verbrachte zwar[FD1] sein gesamtes Berufsleben in der Stadt am Hudson River, wo er zwischen 1891 und 1917 als Professor an der Post-Graduate Medical School lehrte, an der Gründung mehrerer medizinischer Einrichtungen beteiligt und bis zum Eintritt in den Ruhestand 1929 als Consultant großer Kliniken tätig war. Gleichzeitig pflegte er aber auch über viele Jahre in den Sommermonaten ungewöhnlich intensive wissenschaftliche Kontakte mit der europäischen Frauenheilkunde durch professional visits in führenden deutschen und österreichischen Kliniken, u. a. als Mitglied des American Gynecological Club. 1909 wurde er, der vielen US-amerikanischen und mehreren britischen Fachgesellschaften angehörte, auch Mitglied der seinerzeitigen DGG, die ihn 1937 zu ihrem Ehrenmitglied ernannte.
In einem Nachruf, der 1944 in den „Annals of Surgery“ erschien, wird Boldt als „Forscher zur physiologischen Aktivität von Kokain und als profilierter Autor zu allen Aspekten der Gynäkologie“ gewürdigt. Der Verfasser Raymond P. Sullivan, lange Jahre einer der führenden Chirurgen in New York, hob neben vielen Artikeln in Fachzeitschriften vor allem Boldts Handbuchbeiträge hervor, so die Kapitel zu „Benign and Malignant Neoplasm of the Vulva and Vagina and of the Uterus“ in „Clincal Gynaecology“, das 1895 unter Mitwirkung führender amerikanischer Wissenschaftler in dem renommierten Fachverlag J.B. Lippincott publiziert wurde. Ferner habe Boldt zu der mehrbändigen „Enzyklopädie der Geburtshilfe und Gynäkologie“ beigetragen, die 1900 erstmals von dem DGG-Gründungsmitglied Max Sänger (1853-1903) herausgegeben wurde. Ein von Boldt entwickelter spezieller Operationstisch für die abdominale Chirurgie wurde auf der Pariser Weltausstellung von 1900 mit einem Preis ausgezeichnet.
Boldt war der erste US-Amerikaner, der zum Ehrenmitglied der DGG ernannt wurde. Bei seiner Wahl 1937 beim Berliner Kongress von Georg August Wagner könnte neben der Bedeutung von Boldt für das Fach und seiner Affinität speziell zur deutschen Frauenheilkunde auch die politische Einstellung des Lauraten eine Rolle gespielt haben. Aus einem Nachruf der New York Times geht hervor, dass Boldt offenbar ein Anhänger Hitlers war und dem NS-Narrativ von der Auslösung des Zweiten Weltkriegs durch Polen folgte. Im Zusammenhang mit den Zwangssterilisationen wurde Boldt von der NS-Propaganda instrumentalisiert. Wie eine Ironie des Schicksals mutet an, dass Boldts einziger Sohn im Ersten Weltkrieg als amerikanischer Kriegsfreiwilliger in Frankreich im Kampf gegen die Deutschen fiel, Boldt selbst aber im Zweiten Weltkrieg durch den Nazi-Kollaborateur General Philippe Petain mit dem Croix de la Guerre ausgezeichnet wurde.
Publikationen (Auswahl)
- The Treatment of Suppurative Disease of the Uterine Appendages. The American Journal of Obstetrics and Diseases of Women and Children 1889; 22 (3): 262. -Cavernous Angioma of the Uterus, with Specimen, and Remarks on the Method of doing Vaginal Hysterectomy. The American Journal of Obstetrics and Diseases of Women and Children 1893; 28(6): 834. – Pelvic elevation in abdominal surgery, with a new transportable table for obtaining this posture. Medical Record 1893; 43 (19): 580. - Myofibroma uteri. JAMA 1900; 35 (5): 275-277. – The treatment of gonorrhea in women. JAMA 1908; 50 (5): 330-335.
Gedruckte Quellen
Sullivan RP. Hermann Johannes Boldt: 1856-1943. Ann Surg 1944; 119(4):633-635. DOI: 10.1097/00000658-194404000-00023. Anonymus. Dr. H.J. Boldt is Dead in Accident in South. Noted Gynecologist, 87, Victim of Gas Fumes from Heater. The New York Times 1943, Ausgabe vom 13. Januar. Anonymus. Hier spricht das Ausland. „Sterilisierung ist menschlicher.“ Rassenpolitische Auslands-Korrespondenz 1939; Nr. 1, S. 4. Eby, Michael WD, Longo L. Furthering the profession: the early years of the American Gynecological Club and its first European tours. Obstetrics Gynecology 2002; 99 (2): 308-315.
Internet
https://prabook.com/web/hermann_johannes.boldt/1110741
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Bracht, Erich
geb. 05.07 1882, Berlin
gest. 05.05.1969, ?
Burger, Karl Johann
geb. 25.09.1893, Budapest
gest. 22.05.1962, Konstanz
Cònill Montobbio, Victor
geb. 22.09.1886, Barcelona (Spanien)
gest. 03.01.1970, Barcelona (Spanien)
Familie
V: Rechtsanwalt
Sohn: Victor Cònill Serra, Gynäkologe
Ausbildung
1909 Medizinisches Examen mit Auszeichnung (Universität Barcelona);
Akademische Karriere
1913 Promotion (Madrid); 1925 a. o. Prof. (Barcelona); 1933 o. Prof. für Geburtshilfe und Gynäkologie (Santiago de Compostella); 1934-1956 o. Prof. für Geburtshilfe und Gynäkologie (Barcelona)
Weiterbildung und berufliche Karriere
1909-1912 Auslandsaufenthalt in der Schweiz und Assistententätigkeit in München bei Albert Döderlein (I. UFK); 1913 Assistent von Miguel Arcángel Fargas Roca in Barcelona (Lehrstuhl für Gynäkologie); 1915 wissenschaftliches Stipendium für einen Studienaufenthalt an der UFK Bern (Hans Guggisberg); 1921 Arzt an der Geburtsklinik „La Maternitat“ in Barcelona; 1933 Direktor der Frauenklinik der Universität von Santiago de Compostella; 1934 bis 1956; 1934-1956 Direktor der Universitätsfrauenklinik Barcelona
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGGG
Mitglied seit 1911, 1941 Beisitzer; 1944 Ehrenmitglied
Vita
Victor Cònill Montobbio gilt als einer der bedeutenden spanischen Gynäkologen des 20. Jahrhunderts. Von 1934 bis 1956 trug er als Lehrstuhlinhaber in Barcelona wesentlich zur Entwicklung des Faches in dem südwesteuropäischen Land bei und beeinflusste darüber hinaus auch die Frauenheilkunde in Mittel- und Südamerika. Geprägt war er von seiner Ausbildung in der Schweiz (u. a. bei dem Chirurgen Theodor Kocher), in Deutschland bei Albert Döderlein sowie bei dem als Pionier operativen Gynäkologie in Katalonien bekannten Miguel Arcángel Fargas Roca in Barcelona.
Cònill Montobbio galt neben seiner wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Tätigkeit als hervorragender Kliniker, der zahlreiche neue Behandlungsmethoden evaluierte und etablierte. Schon in seiner 1913 angefertigten Dissertation bei Sebastian Recasens Girol, dem damaligen Ordinarius in Madrid, untersuchte er in einer hervorragend bewerteten, vergleichenden Studie den Wert von Pubotomie, Kraniotomie und Schnittentbindung für die Behandlung geburtshilflicher Komplikationen durch ein verengtes Becken. 1918 veröffentlichte er zusammen mit seinem Doktorvater eine Monografie zur Röntgentiefentherapie und zur Radiumbehandlung in der Gynäkologie. 1921 folgte eine Abhandlung zu neuen Methoden in der Therapie von Brustkrebs. Hinzu kamen mehrere Lehrbücher, die auch in südamerikanischen Ländern wie Argentinien und Uruguay Verbreitung fanden. Eine medizinhistorische Studie beschäftige sich mit der Gynäkologie bei Hippokrates.
Das gesundheitspolitische Engagement von Cònill Montobbio äußerte sich unter anderem in der Gründung der Katalanischen Liga gegen den Krebs, deren erster Präsident er 1925 war. 1953 wurde er Gründungsmitglied der Spanischen Gesellschaft für das Studium der Sterilität. Für seine Arbeit wurde er von staatlicher Seite 1956 mit dem Großkreuz des Zivilen Gesundheitsordens ausgezeichnet. 1957 erhielt er den Couder y Moratilla-Preis der Königlichen Nationalen Akademie für Medizin. Zahlreiche Fachgesellschaften ernannten ihn zu ihrem Ehrenmitglied.
Cònill Montobbio wird als strenger Katholik beschrieben. Den Gipfel seiner Karriere erreichte er 1934 mit seiner Berufung zum Ordinarius in Barcelona noch in der spanischen Republik. Die Säuberungen der Franco-Diktatur nach dem Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 überstand er unbeschadet. In einem Referat über die spanische Frauenkunde beim DGG-Kriegskongress 1941 in Wien pries er „die politische und moralische Entwicklung“ des deutschen Volkes, die er über 30 Jahre mit Leidenschaft verfolgt habe. Conill Montobbio schloss mit dem Satz: „Dieselbe tiefe Dankbarkeit, die jeder wohlgeborene Spanier für unseren Caudillo [span. Führer, gemeint ist Franco] fühlt, fühlt schon jetzt jeder verständige Europäer für euren genialen Führer, den Führer im erlösenden Kreuzzug der europäischen Zivilisation und Leiter der Neuordnung Europas.“
Victor Cònill Montobbio ist das einzige Ehrenmitglied der DGGG, bei dessen Ernennung im Nationalsozialismus politische Einflussnahme nachweisbar ist. Aus einem Briefwechsel zwischen dem damaligen Präsidenten Rudolf Jaschke und dem Schriftführer Heinrich Martius geht hervor, dass die Ehrung „auf Anregung des Reichsgesundheitsführers“ Leonardo Conti erfolgte. Dies erklärt wohl auch den ungewöhnlichen Zeitpunkt der Auszeichnung im Jahr 1944 fernab von jeder Kongressroutine.
Ausgewählte Publikationen
La pubiotomía, la cesárea abdominal y la craniotomía como operaciones de concurrencia en el tratamiento de las estenosis pélvicas. Diss med Madrid 1913. — (mit Sebastián Recasens) Radioterapia profunda y radiumterapia en ginecología. Salvat: Barcelona 1918. — Nuevas orientaciones en el tratamiento del cancer de mama. Imprenta Santpere: Barcelona 1921. — La Ginecología de Hipócrates. Pubul: Barcelona1925. — Über die Tubeninnervation. Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie 1934; 97(5): 266-268. — Embarazo Ectópico. Salvat: Barcelona 1940. — Tratado de ginecología y de técnica terapéutica ginecológica. Labor: Barcelona 1946. — Campaign against cancer in Cataluña; the first epoch; concrete objectives of the anticancer campaign in Spain adapted to the present era. Anales de la Real Academia Nacional de Medicina 1956; 73 (4).
Gedruckte Quellen
Cònill V: Geist und Inhalt der spanischen Frauenkunde. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie. 26. Versammlung, abgehalten zu Wien vom 27. bis 30. Oktober 1941. Arch Gynak 1942; 173: 37-40. Usandizaga M. Victor Conill Montobbio (1886-1970). [Nachruf] Anales de Medicina y Cirurgia 1970; 50: 297-305.
Archivalien
BSB München, Nachlässe, Ana 691: Briefwechsel Jaschke – Martius (23./28. 04.1944)
Internet
Manuel Díaz-Rubio García. Cónill Montobbio, Víctor. dbe.rah.es/biografias/21520/victor-conill-montobbio
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Cova, Ercole
geb. 04.02.1877, Mailand
gest. ?
Diepgen, Paul
geb. 24.11.1878, Aachen
gest. 02.01.1966, Mainz
Familie
V: Martin Diepgen, Kaufmann
M: Maria, geb. Hamm
∞ 1934 Liselotte Edith, geb. Jeglinsky
Ausbildung
1897 Abitur (Aachen); 1897–1902 Medizinstudium (Tübingen, Leipzig, Bonn, Freiburg i. Br.); 1902 Staatsexamen (Freiburg i. Br.); 1905-1908 Studium der Geschichte (Freiburg i. Br.);
Akademische Karriere
1902 Promotion zum Dr. med. (Freiburg i. Br.); 1908 Promotion zum Dr. phil. (Freiburg i. Br.); 1910 Habilitation für Geschichte der Medizin (Freiburg i. Br.); 1910 Privatdozent (Freiburg i. Br.); 1915 apl. Prof. (Freiburg i. Br.); 1920 o. Honorarprof. (Freiburg i. Br.); 1929 a.o. Prof. (Berlin); 1938 o. Prof. (Berlin); 1944 Emeritierung (Berlin); 1947 Gastprofessor (Universität Mainz); 1949 o. Prof. (Mainz); 1957 Emeritierung (Mainz)
Weiterbildung und berufliche Karriere
1902-1904 Assistent der Universitätsfrauenklinik Freiburg i. Br. (Alfred Hegar); 1905 private geburtshilfliche Praxis (Freiburg i. Br.); nach dem Ersten Weltkrieg Chefarzt der gyn.- geburtsh. Abt. des Freiburger Loretto-Krankenhauses; 1926 parallel zur ärztl. Tätigkeit Leiter des von ihm gegründeten medizinhistorischen Seminars der Universität Freiburg i. Br.; 1930-1944 Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin (Universität Berlin); 1949-1957 Direktor des Medizinhistorischen Instituts (Universität Mainz)
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
1941 Ehrenmitglied
NS-Organisationen
Nationalsozialistischer Lehrerbund (NSLB) ab 1.1.1934
Vita
Paul Diepgen, 1941 beim „Kriegskongress“ der DGG auf höchst unkonventionelle Weise zum Ehrenmitglied der Fachgesellschaft ernannt, war seit den 1930iger Jahren für rund drei Dekaden die führende Persönlichkeit unter den deutschen Medizinhistorikern. Er hat in dieser Zeit an drei Universitäten Einrichtungen des Fachgebietes aufgebaut und geleitet (Freiburg i. Br., Berlin, Mainz) sowie entscheidend zur Implementierung der Medizingeschichte im Curriculum des Studiums beigetragen. Nach 1945 geriet er allerdings wegen seiner ambivalenten Haltung zum Nationalsozialismus zunehmend in die Kritik.
Diepgens Berufsweg begann 1902 nach Medizinstudium und Promotion mit einer gynäkologisch-geburtshilflichen Fachausbildung an der Freiburger Universitätsfrauenklinik bei Alfred Hegar (1830-1914). Konassistent war der spätere Tübinger Ordinarius und DGG-Präsident August Mayer (1876-1968), mit dem Diepgen eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Nach Abschluss der Fachausbildung war Diepgen ab 1905 zunächst in privater Praxis tätig. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm er bis 1929 die Chefarztposition der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Freiburger Loretto-Krankenhauses.
Parallel zu seiner ärztlichen Tätigkeit wandte sich Diepgen schon früh der Medizingeschichte zu. 1905 begann er ein Geschichtsstudium, das er 1908 mit der Promotion zum Dr. phil. abschloss. 1910 folgte mit kräftiger Unterstützung des Pathologen Ludwig Aschoff (1866-1942) die Habilitation für Geschichte der Medizin. Es dauerte allerdings bis 1926, ehe er ein „Medizinhistorisches Seminar“ an der Universität etablieren konnte. Weitere Stationen seiner Karriere waren das Direktorat des neu gegründeten Instituts für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften in Berlin (1930-1944, emeritiert) sowie von 1947-1957 eine zunächst außerordentliche und dann ordentliche Professur für Medizingeschichte einschließlich der Leitung des Medizinhistorischen Instituts der Universität Mainz.
Dem NS-Regime stand Diepgen in vielen Bereichen distanziert gegenüber: So lehnte er den Antisemitismus ab und wurde nie Parteimitglied. Andererseits unterhielt er Beziehungen zu Parteiprominenz wie Karl Brandt (1904-1948, hingerichtet), dem ranghöchsten NS-Mediziner, sowie zu Ernst Grawitz (1899-1945, Suizid), dem Reichsarzt-SS. Zwei Ärzte der SS, die SS-eigene Medizingeschichte schreiben sollten, habilitierte Diepgen an seinem Berliner Institut. 1939 führten seine Bemühungen, die Medizingeschichte als politisch nützlich darzustellen, zur Integration des Faches als Pflichtvorlesung in das Curriculum des Studiums. In der Gesamtschau, so der Medizinhistoriker Florian Bruns, „stellte er sich und sein Institut, aus welchen Gründen auch immer, ohne Skrupel der legitimatorischen Propaganda des Nationalsozialismus zur Verfügung.“
Diepgens Ernennung zum Ehrenmitglied 1941 wurde offenbar während des Kongresses sehr kurzfristig hinter den Kulissen ausgehandelt, möglicherweise auf Initiative seines Freundes August Mayer. Bei der Bekanntgabe der neuen Laureaten in der Mitgliederversammlung fiel sein Name noch nicht. Erst in seinem Schlusswort zum Kongress dankte der Vorsitzende Hans Fuchs „besonders noch unserem Ehrenmitgliede, Herrn Prof. Diepgen, daß er mit einem so gedankenreichen Vorspiel unsere Tagung einleitete.“ Diepgen, bis dahin kein Mitglied der Gesellschaft, hatte einen Eröffnungsvortrag zum Thema „Die Kulturgeschichte der Frau und die Frauenheilkunde“ gehalten.
Ausgewählte Publikationen
Über zwei Fälle von Thorakopagus. Diss med Univ. Freiburg i. Br. 1902; — Die politische Entwicklung der Völker und die Medizin. Freiburg i. Br.: Speyer & Kaerner 1917. — Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. München: Bergmann 1920, 2., verm. Auflage. — [Paul Diepgen] Mein Weg zur Medizingeschichte. Hippokrates. 1961; 32:807-812. — Die Medizin an der Berliner Charité bis zur Gründung der Universität. Berlin: J. Springer 1935. — Die Frauenheilkunde der alten Welt. München: Bergmann 1937. — Die Heilkunde und der ärztliche Beruf. München: J.F. Lehmanns 1938. — Die Kulturgeschichte der Frau und die Frauenheilkunde. Arch Gynak 1942; 173:12-36. — Geschichte der Medizin. Die historische Entwicklung der Heilkunde und des ärztlichen Lebens. Walter de Gruyter & Co., Berlin (3 Bde., 1949, 1951, 1955). — Die alte Mainzer medizinische Fakultät und die Wissenschaft ihrer Zeit. Mainz: Kupferberg 1951. — Über den Einfluss der autoritativen Theologie auf die Medizin des Mittelalters. Mainz: Verl. d. Akademie d. Wissenschaften u. d. Literatur 1958.
Gedruckte Quellen
Artelt, Walter. Paul Diepgen zum 24. November 1943. Klin Wochenschrift 1943; 22: 712; Kümmel, Werner Friedrich. Paul Diepgen als „Senior“ seines Faches nach 1945. Medizinhist. J. 2014; 49: 10-44. Seidler, Eduard. Die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Grundlagen und Entwicklungen. 1. korr. Nachdr. Berlin/Heidelberg 1993. Bruns, Florian. Die Berliner Institute für Geschichte der Medizin. Ein Abriss ihrer Entwicklung im 20. Jahrhundert. In: Florian Bruns (Hg). Medizingeschichte in Berlin. Institutionen, Personen, Perspektiven. Be.bra: Berlin-Brandenburg 2014, 13-38; Mildenberger, Florian. Gutachten und Seilschaften. Die „Diepgen-Schule“ in der westdeutschen Medizinhistoriographie zwischen Dominanzanspruch und Selbstzerschlagung. Volkskunde in Rheinland-Pfalz 2014; 29: 104–122. [Tagungsbericht]. Hans Fuchs [Schlusswort]. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie. 26. Versammlung, abgehalten zu Wien vom 27. bis 30. Oktober 1941. Arch Gynak 1942, 173: 697.
Internet
Paul Diepgen, in: Verzeichnis der Professorinnen und Professoren der Universität Mainz. URI: http://gutenberg-biographics.ub.uni-mainz.de/id/f4c472db-d9c3-424d-9c3a-290ebcd4dc0e. (Zugriff am 23.10.2024); Paul Diepgen. https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Diepgen; ancestry. Paul Robert Diepgen. https://www.ancestry.de/search/?name=Paul_Diepgen&event=_Aachen&birth=1878&count=50&location=3253&name_x=1_1&priority=german (Zugriff am 23.10.2024)
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Döderlein, Albert Sigmund Gustav
geb. 05.07.1860, Augsburg
gest. 10.12.1941, Erlangen
Döderlein, Gustav
geb. 19.05.1893, Leipzig
gest. 19.03.1980, München
Douay, Eugène
Esch, Peter
geb. 20.12.1874, Minkelfeld (Verbandsgemeinde Maifeld, Rheinland-Pfalz)
gest. 10.06.1952, Münster (Westfalen)
Eymer, Heinrich Christian
geb. 11.06.1883, Frankfurt am Main
gest. 16.05.1965, München
Familie
V: Christian Eymer, Lehrer
M: Minna Maria Margaretha, geb. Bornemann
∞ Alma, geb. Klinker
Ausbildung
Medizinstudium (Marburg, München, Heidelberg); 1908 Staatsexamen/Approbation (Heidelberg)
Akademische Karriere
1908 Promotion (Heidelberg); 1917 Habilitation (Heidelberg); 1921 ao. Prof. (Heidelberg); 1924 o. Prof. (Innsbruck); 1930 o. Prof. (Heidelberg); 1931/32 Dekan (Heidelberg); 1934 o. Prof. (München); 1945 Amtsenthebung durch die US-Militärregierung; 10/1948 Wiederernennung zum o. Prof. (München); 1952 Emeritierung
Weiterbildung und berufliche Karriere
ab 1908 zunächst Volontär-, dann regulärer Assistent und ab 1919 OA an der UFK Heidelberg bis 1924 (v. Rosthorn, Menge); in dieser Zeit 1910 wiss. Urlaub am Röntgeninstitut Hamburg (Albers-Schönberg), 1912/13 am Hygieneinstitut Frankfurt a. Main (Neisser) sowie am Path. Institut Straßburg (Chiari); 1924 Dir. der UFK Innsbruck, 1930 Dir. der UFK Heidelberg, 1934 -1945 Dir. der I. UFK München; Amtsenthebung durch die US-Militärbehörden, 1948-1954 wieder im Amt
NS-Organisationen
1933 NSÄB, NSLB; 1934 FM SS, 1935 NSV; 1937 NSDAP; 1939 NSD
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
Mitglied seit 1920, 1922-1923 2. Schriftführer, 1951-52 Präsident, 1952 Ehrenmitglied
Vita
Heinrich Eymer gehört zu den Gynäkologen, die sich in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts intensiv bemühten, die damals noch in den Anfängen stehende Radiologie für das Fach nutzbar zu machen. Als Assistent von Carl Menge (1864-1945) arbeitete er sich 1910 in einem wissenschaftliche Urlaub aus der Heidelberger UFK bei dem renommierten Hamburger Radiologen Heinrich Albers-Schönberg (1865-1921) in die entsprechende Technik ein. Bereits 1912 publizierte er mit seinem Lehrer Menge eine mehrteilige Übersichtsarbeit zur Röntgentherapie in der Gynäkologie, ein Jahr später folgte eine zweite einschlägige Monografie, die Eymer allein verantwortete und in der er u.a. über Untersuchungen an Patientinnen berichtete, deren Ovarien Röntgenstrahlung ausgesetzt waren. Für seine Habilitationsschrift führte er Tierversuche zum Effekt bleigefilterter radioaktiver Substanzen auf die unterschiedlichen Strukturen in Ovarien durch.
Für die Behandlung gutartiger und bösartiger Erkrankungen nutzte Eymer im Laufe seiner Karriere zunehmend die Strahlentherapie. Während er als Ordinarius in Innsbruck (ab 1924) bei Uterusmalignomen nach Wertheim operierte, setzte er nach seiner Berufung nach Heidelberg (1930) und München (1933) vorzugsweise auf die Radiotherapie. 1933 übernahm er beim DGG-Kongress in einer Sitzung über Früherkennung und elektive Therapie des Zervixkarzinoms das Referat zur Strahlentherapie. Seine letzte große Publikation zum Thema stellte 1953 ein großer Handbuchbeitrag dar.
In München konnte Eymer an der I. UFK an die radiologische Tradition seines Vorgängers Albert Döderlein (Ehrenmitglied 1931, 1860-1941) anknüpfen. Döderlein hatte für die Klinik zusammen mit Ernst Ritter von Seuffert (1879-1952) und dem Physiker Friedrich Voltz (1891-1938) bereits den Ruf einer führenden strahlentherapeutischen Institution erworben. Nach dem durch „Strahlenkrankheit“ bedingten Ausscheiden von Seufferts Anfang der 1920er Jahre und dem plötzlichen Tod von Voltz 1938 setzte Eymer die Erfolgsgeschichte mit seinem technisch begabten Schüler Julius Ries (1911-1986) fort. Unter der Leitung von Ries, der 1950 eine grundlegende Arbeit zur „Radiumdosimetrie beim Uteruskarzinom“ veröffentlichte, erlangte das Strahleninstitut internationale Bedeutung.
Im „Dritten Reich“ gehörte Eymer zu den späteren Ehrenmitgliedern der DGG, die besonders vielen nationalsozialistischen Organisationen angehörten: Noch in Heidelberg bemühte er sich im Juli 1933 um Aufnahme in die NSDAP, scheiterte aber am Aufnahmestopp. Diesen Parteieintritt holte er später nach (datiert auf den 1. Mai 1937). Zuvor hatte er sich bereits dem NS-Ärzte- sowie dem NS-Lehrerbund (1933), der SS (förderndes Mitglied 1934) und der NS-Volkswohlfahrt (1935) angeschlossen. 1939 wurde er Mitglied des NS-Dozentenbundes.
In Eymers Münchener Klinik wurden zwischen 1934 und 1944 mindestens 1318 Frauen zwangssterilisiert. In wenigstens zwei Fällen waren die Eingriffe nicht vom Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) gedeckt: Es handelte sich bei diesen Opfern um „Zigeunerinnen“. Die meisten der Sterilisationen erfolgten operativ. Radiologische Eingriffe, die zur Kastration führten, wurden nach deren Legalisierung ab 1936 bei 64 Frauen vorgenommen. Simultan oder zweizeitig zu den Sterilisationen brachen die Ärzte in Eymers Klinik insgesamt 62 Schwangerschaften ab, davon 4 bereits 1934, als dies noch nicht durch eine Novellierung des GzVeN legalisiert war.
Auch in die rassistisch und kriegswirtschaftlich motivierten Abtreibungen bei Zwangsarbeiterinnen aus dem Osten, die zwischen 1943 und 1945 jenseits jeder Legalität vorgenommen wurden, war Eymers Klinik in einigen Fällen involviert. Dem Klinikchef gelang es im Verlauf jedoch, entsprechende Zuweisungen über Beziehungen zu vermeiden. „Wir machen hier […] derartige Unterbrechungen nicht mehr“, schrieb er im März 1944 an seinen Tübinger Kollegen August Mayer, der in dieser Angelegenheit seien Rat gesucht hatte.
Im November 1945 enthob die US-Militärregierung Eymer im Zuge der ersten Entnazifizierungswelle als höheren Funktionsträger mit NSDAP-Parteibuch seiner Ämter. Kommissarischer Leiter der Klinik wurde der durch seine „Strahlenkrankheit“ behinderte Ernst Ritter von Seuffert, unterstützt von dem ebenfalls bereits erwähnten Julius Ries. Seuffert war zuvor die Lehrbefugnis wiedererteilt worden, die ihm 1937 wegen seiner „nicht arischen“ Ehefrau entzogen worden war. In einem ersten Spruchkammerverfahren wurde Eymer im August 1946 als „minderbelastet“ eingestuft. Dagegen legte er Berufung ein und erreichte so mit Urteil vom 17.12.1947 den Status eines „Mitläufers“. Im Oktober 1948 wurde Eymer dann endgültig wieder in seine früheren Ämter eingesetzt. Zuvor waren über einjährige Berufungsverhandlungen mit dem damaligen Göttinger Ordinarius Heinrich Martius (1885-1965, Ehrenmitglied 1954) gescheitert.
Die sich über rund drei Jahre hinziehende Entnazifizierung Eymers und seine Wiedereinsetzung waren von erheblichen Turbulenzen in der Öffentlichkeit begleitet. In deren Mittelpunkt stand nicht nur sein Verhalten im NS, sondern auch sein Umgang mit Opfern des Regimes aus dem Kollegenkreis in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Letztere kritisierten fortdauernde Ausgrenzung im Zusammenhang mit Arbeitsmöglichkeiten und der Unterbringung in der Klinik – Vorwürfe, die von den Mitarbeitern Eymers vehement bestritten wurden. Klarheit bringt auch im Rückblick das von einigen Merkwürdigkeiten begleitete Spruchkammerverfahren nicht, in dem sich Eymer auf extrem viele „Persilscheine“ berufen konnte. Darunter waren einige prominente Verfasser wie der Münchner Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber (1869-1952), dessen Rolle im NS heute von vielen ebenfalls als von Ambivalenz bestimmt eingeschätzt wird.
Ausgewählte Publikationen
— Beitrag zur Lehre von den Lymphangioendotheliomen des Eierstocks. Arch Gynak 1909; 88: 189-215; – (mit C. Menge) Röntgentherapie in der Gynäkologie. 1. Anwendungsgebiete und Resultate. Technik. Mschr Geburtsh Gynäk 1912; 35 (3): 268-279; – Die Röntgenstrahlen in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen. Ergänzungsband 29. Lucas Gräfe & Sillem: Hamburg 1913; – Experimentelles zur Bleifilterbestrahlung. Wagner: Weimar 1917 [Habilitationsschrift]; – Ergebnisse der Strahlenbehandlung der Gebärmutterkrebse; Operation oder Bestrahlung? Arch. Gynak. 1925; 125: 515–516; – Die Radiumbehandlung in der Gynäkologie. DMW-Deutsche Medizinische Wochenschrift 1927, 53 (49): 2069-2072; – Das Klimakterium. Klinische Wochenschrift 1927; 6 (9): 385-390; – Die Strahlentherapie bei der Behandlung des Collumcarcinoms. Arch Gynak 1933; 156: 268–281; – Die Eingriffe zur Unfruchtbarmachung der Frau. In: Gütt, A/Rüdin E/ Ruttke F (Hg). Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. 2., neubearb. Aufl., Lehmanns: München 1936, 327-346; – Die Strahlenbehandlung der Gebärmutterkrebse. In: Seitz L/Amreich AI (Hg.). Biologie und Pathologie des Weibes., 2. Aufl., Bd. 5, Urban & Schwarzenberg: Berlin u.a. 1955, 269-344.
Gedruckte Quellen
GK 1928; GK 1939; Kaiser, R. In memoriam Heinrich Eymer anläßlich des 100. Geburtstages. Geburtsh Frauenheilk 1983; 43: 771-772; Bröer, R. Frauenheilkunde im Dienst der Eugenik – Ärztliche Karrieren an der Universitätsfrauenklinik Heidelberg im Nationalsozialismus. Geburtsh Frauenheilk 2004; 64: 1090-1097. DOI 10.1055/s-2004-821250; Kaiser, Rolf. Heinrich Eymer (1883–1965). In: Zander, Josef/Zimmer, Fritz (Hg.). Die Bayerische Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde e. V. Eine Dokumentation anlässlich ihres 75-jährigen Bestehens. München 1987, 68–70; Horban, Corinna. Gynäkologie und Nationalsozialismus: Die zwangssterilisierten, ehemaligen Patientinnen der I. Universitätsfrauenklinik heute – eine späte Entschuldigung. München 1999; Kuß, Erich. Ein Klinikdirektor in politischer Bedrängnis. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen, 2000; 19: 283-388; Albrecht, Pavla. Prof. Dr. Heinrich Eymer – eine ärztliche Karriere zwischen Ehrgeiz, Eugenik und Nationalsozialismus. In: Krauss, Marita (Hg.) Rechte Karrieren in München. München 2010, 297-310; Stauber, Manfred. Vergangenheitsbewältigung in der bayerischen Gynäkologie – Erfahrungen an der I. Universitätsfrauenklinik. In: Christoph Anthuber/Matthias W. Beckmann /Johannes Dietl/Fritz Dross/Wolfgang Frobenius (Hg.). Herausforderungen. 100 Jahre Bayerische Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde. Stuttgart 2012, 237–256; Frobenius, Wolfgang. Die Wiederbesetzung der gynäkologisch-geburtshilflichen Lehrstühle in Bayern nach 1945. In: Christoph Anthuber/Matthias W. Beckmann/Johannes Dietl/Fritz Dross/Wolfgang Frobenius (Hrsg.): Herausforderungen.100 Jahre Bayerische Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde. Stuttgart 2012, 149–185; Locher, Wolfgang. Heinrich Christian Eymer (1883-1965). Biografische Skizze. In: Rainer Kürzl/Ulrich Andergassen/Stefan Hutter/Roman Lorenz (Hg.). 100 Jahre Maistraße. Bavaria Druck GmbH: München 2016, 95-99; Frobenius: Selbstvergewisserung (2025).
Internetquellen
Wormer, Eberhard J., "Ries, Julius" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 606 [Online-Version]; URL: www.deutsche-biographie.de/pnd116544627.html
Archivalische Quellen
BayerHStA M: Lehrstuhlakte I. UFK München MK 693481; Personalakte Eymer MK 43580; StA M: Spruchkammern 382
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Fels, Erich (später Erico)
geb. 19.05.1897, Würzburg
gest. 21.01.1981, Buenos Aires (Argentinien)
Familie
V: Rudolf Fels, Privatier
M: Berta Fels, geb. Löb
Ausbildung
1906-1915 Hum. Gymnasium (Würzburg), 1915-1918 Heeresdienst, davon 32 Monate „im Felde“, Medizinstudium in Würzburg und Frankfurt a. M., 1921 Staatsexamen (Würzburg), 1922 Approbation (Würzburg)
Akademische Karriere
1921 Promotion (Würzburg), 1929 Habilitation (Breslau)
Weiterbildung und berufliche Karriere
1921/22 Ass. an der Med. Univ.-Klinik Würzburg, 1922 an der chirurgischen Abteilung des Krankenhaues Hamburg-Barmbeck, 1922–1924 am Pathologischen Institut der Universität Würzburg, 1924/25 Assistent an der UFK Würzburg (Gauß); 1925–1934 Assistent an der UFK Breslau (Fraenkel)
Verfolgungsgeschichte im NS
1934 Entlassung; 10/1934 Emigration nach Argentinien
Berufliche Laufbahn nach der Verfolgung
Namensänderung in Erico Fels; in Argentinien Leiter einer neu gegründeten Abteilung für Biopathologie und Experimentelle Chirurgie an der UFK Buenos Aires
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
Mitgliederverzeichnis 1927-1937; 1978 Ehrenmitglied
Ausgewählte Publikationen
Über Peniskarzinome. Diss. med. Würzburg 1921; – Die Sexualhormone im Blute. Arch Gynak 1927, 130: 606–625; – Über die Reindarstellung des Corpus luteum-Hormons und seine biologische Wirkung. Arch Gynak 1931, 144: 280; – Das Corpus luteum-Hormon und seine Reindarstellung. Arch Gynak 1934, 158: 364–392; – Über den Wirkungsmechanismus des Hypophysenvorderlappenhormons. Arch Gynak 1930, 141: 3–11; – Experimentelle Ovarialtumoren. Arch Gynak1956, 188: 63–76; – Die Erforschung des Corpus luteum und seines Hormons. Endokrinologie-Informationen 1972, 2: 52–64
Vita
Erich Fels war der Frauenarzt in der berühmten interdisziplinären Breslauer Arbeitsgruppe, der 1933/34 in einem Wettlauf mit anderen Wissenschaftlern vermutlich als erster die Isolierung und Reindarstellung des Progesterons gelungen ist. Offensichtlich etwas verfrüht vermeldet hat er diesen wissenschaftlichen Erfolg bereits 1931 in einem Referat auf dem Frankfurter Kongress der DGG: Die dort angekündigte ausführliche Publikation dazu mit der genauen chemischen Charakterisierung der Substanz erschien erst 1934 – nahezu zeitgleich mit jenen der ebenfalls erfolgreichen drei weiteren Arbeitsgruppen mit Adolf Butenandt, Walter Hohlweg und Ulrich Westphal (Berlin/Danzig), Max Hartmann und Albert Wettstein (Basel) sowie Willard Allen und Oskar Wintersteiner (New York).
Fels war nach kurzer Ausbildung in der Pathologie zur Frauenheilkunde gekommen, zunächst als Assistent bei Carl Joseph Gauß in der UFK Würzburg, dann bei Ludwig Fraenkel in Breslau. Fraenkel, der in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts die innere Sekretion des Corpus luteum experimentell nachgewiesen hatte, sah in dem endokrinologisch interessierten Fels rasch seinen besten Schüler. Als es Fraenkel gelang, auch seinen Schwiegersohn Karl Slotta, einen Chemiker, für die Isolierung und Reindarstellung des Corpus-luteum-Hormons zu gewinnen, war die später erfolgreiche Arbeitsgruppe fast komplett. Slotta brachte dann noch einen seiner Doktoranden ein – Heinrich Ruschig, einen jungen Mann, den – wie Fels sich später erinnerte – „eiserne Energie“ und „unbändiger Arbeitswille“ auszeichneten.
Für die Reindarstellung des Progesterons mussten die Corpora lutea aus den Ovarien zahlloser geschlachteter Schweine ausgeschält, extrahiert und die Extrakte an Hunderten Kaninchen auf die Hormonwirkung getestet werden, ehe das Progesteron in reiner kristalliner Form vorlag. Fels oblag es, die Ovarien zu besorgen, Hilfskräfte für die Ausschälung der Gelbkörper anzulernen und die Extrakte im Tierversuch zu testen.
Die Endphase der Arbeiten stand nicht nur unter dem Druck der Konkurrenz: Fels ahnte, dass es lediglich eine Frage der Zeit sein würde, bis die Nationalsozialisten die Arbeitsgruppe durch Entlassungen sprengen würden. Gleichzeitig berichtete er von menschlichen Enttäuschungen: „Der stets freundschaftliche Ton, der unter den Klinikkollegen geherrscht hatte, verwandelte sich in formale Korrektheit. Ärzte, mit denen man durch viele Jahre tagaus, tagein zusammen war, denen man gerne das gezeigt hatte, was man bereits gelernt hatte, mit denen man manche Abende, zuweilen mit reichlichem Alkoholgenuß, verbracht hatte, marschierten nun […] durch die Klinik in SA- und SS-Uniform und vermieden […] den Umgang mit den von der Regierung zu Menschen zweiter Klasse gestempelten Personen …“.
Die Urkunde zur Ehrenmitgliedschaft in der DGGG nahm Fels im September 1978 beim Kongress in München aus den Händen des Präsidenten Josef Zander entgegen. Vorausgegangen war ein Briefwechsel der beiden mit einer Einladung für Fels. Ganz im Gegensatz zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaften an Selmar Aschheim und Felix Otto Skutsch Anfang der 1950er Jahre wies Zander in der Laudatio diesmal auch auf die Repressalien hin, denen Fels und die anderen jüdischen Mitglieder der Arbeitsgruppe vor ihrer Emigration ausgesetzt waren. Zander sagte: „Nach dem, was Ihnen in diesem Land angetan wurde […] haben wir Ihnen zu danken, daß Sie die Ehrenmitgliedschaft unserer Gesellschaft annehmen.“ Die unrühmliche Rolle der DGG bei der Ausgrenzung ihrer jüdischen Mitglieder erwähnte er freilich nicht, auch eine Entschuldigung im Namen der Fachgesellschaft blieb aus.
Gedruckte Quellen
GK 1928; GW 1956, S. 150; DBE; Fels, Erich (Erico). In: Bettendorf, Gerhard (Hg.): Zur Geschichte der Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Springer: Berlin 1995, 144-145; Frobenius, Wolfgang. Ludwig Fraenkel. »Spiritus rector« of the early progesterone research. European Journal of Obstetrics & Gynecology and Reproductive Biology 1999; 83: 115–119; Zander J. Begrüßungsansprache des Präsidenten anläßlich der Eröffnung der Tagung. In: Ludwig, Hans (Hg.). Die Reden. Eröffnungsansprachen zu den Kongressen der Gesellschaft 1886-1998, 2. Aufl. (erweitert), Springer: Heidelberg, Berlin 1999, 326–327; Rudloff, Udo/Ludwig, Hans. Jewish gynecologists in Germany in the first half of the twentieth century. In: Arch Gynecol Obstet 2005; 272: 245–260; Dross (2020): Geschick: 69-70
Archivalien
Bay. Staatsbibliothek München, Nachlass Zander (ANA 691), Akten der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Fikentscher, Richard
geb. 02.04.1903, Augsburg
gest. 16.06.1993, München
Flaskamp, Wilhelm
geb. 19.06.1891, Duisburg-Ruhrort
gest. 1979
Fraenkel, Ludwig
geb. 23.04.1870, Leobschütz, Schlesien (heute Glubczyce, Polen)
gest. 10.07.1951, Bad Ischl (Österreich)
Familie
V: Heinrich Fraenkel, Malzfabrikant
M: Dorothea, geb. Bodlaender
∞ 1900 Felicia Dora Berta (Lili), geb. Conrat (geb. 19.10.1881, Wien; gest. 1955, Wien)
Kinder: Maria (Maja) (geb. 1903); Heinz (geb. 1910)
Ausbildung
1888 Abitur, 1888–1893 Medizinstudium (Würzburg, Berlin, Greifswald, München, Freiburg i. Br.); 1893 Staatsexamen/Approbation (München)
Akademische Karriere
1892 Promotion (Berlin); 1905 Habilitation (Breslau); 1909 apl. Prof. und 1921 a. o. Prof. in Breslau; 1922 Berufung auf den Lehrstuhl für Gebh. und Gyn. in Breslau
Weiterbildung und berufliche Karriere
Ab 1893 zunächst Weiterbildung in Greifswald bei dem Pathologen Paul Grawitz, dann Fachausbildung an den UFK Leipzig (Max Saenger), Freiburg i. Br. (Alfred Hegar), Breslau (Otto Küstner) und Straßburg (Wilhelm Alexander Freund); ab 1896 in der Privatklinik seines Onkels Ernst Fraenkel in Breslau tätig, die er später bis zu seiner Berufung zum Direktor der UFK Breslau 1922 leitete
Verfolgungsgeschichte im NS
1933 Entlassung; 1936 Emigration über Brasilien nach Montevideo (Uruguay)
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
1897-1936 im Mitgliederverzeichnis der DGG, 1931–1933 Beisitzer („freiwilliger“ Rücktritt vor dem Kongress 1933); 1951Ehrenmitglied
Vita
Ludwig Fraenkel, einer der herausragenden Forscher in der gynäkologischen Endokrinologie, gehörte bis zu seiner Vertreibung zu den profiliertesten Mitgliedern der DGG. Innerhalb der Gesellschaft war er zu dieser Zeit der einzige Ordinarius jüdischer Herkunft. Auf der Tagung 1931 hielt er – sozialhygienisch engagiert – ein umfangreiches, sehr kontrovers diskutiertes, liberales Referat über „Sterilisierung und Konzeptionsverhütung“. Bei dieser Tagung wurde er auch zum Beisitzer gewählt und als einer der künftigen Vorsitzenden gehandelt. Im März 1933 erging jedoch die Weisung, die Vorstände medizinischer Fachgesellschaften von Juden zu „säubern“. Fraenkel trat – angeblich freiwillig – von diesem Amt zurück. Noch im selben Jahr wurde er als Ordinarius an der Universität Breslau abgelöst, 1936 musste er emigrieren.
Ausgestattet mit einer hervorragenden Ausbildung, während der er bereits erste wissenschaftliche Arbeiten publiziert hatte, begann Fraenkel um 1898 in einem von seinem Onkel in dessen Breslauer Klinik eingerichteten Labor mit seinen extrauniversitären Forschungsarbeiten. Gleichzeitig etablierte er eine Kooperation mit dem örtlichen Anatomen Gustav Born, dessen Hypothese von der endokrinen Funktion des Corpus luteum zu den vielen Tierexperimenten führte, mit denen Fraenkel dann in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts den entsprechenden Beweis führte. Unterstützt wurde er dabei zunächst von dem Doktoranden Franz Cohn (1880-1952), später von seiner Ehefrau Lili, die mit ihrem Mädchennamen als Quasi-Pseudonym „L. Conrat“ auf Publikationen als Mitautorin auftauchte.
Fraenkel hat im Verlauf seines Lebens nie das Interesse am Corpus luteum verloren. Auch seine letzte Publikation, die fünf Tage nach seinem Tod beim Herausgeber des „Archivs für Gynäkologie“ einging, beschäftigte sich mit dem Thema. Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre war er „Spiritus rector“ der Breslauer Arbeitsgruppe, der in einem Wettlauf mit drei weiteren in- und ausländischen Arbeitsgruppen die Isolierung und Reindarstellung des Progesterons gelang. Zu der Gruppe gehörten sein Schüler Erich Fels[2] sowie sein Schwiegersohn, der Chemiker Karl Slotta, und dessen Doktorand Heinrich Ruschig. Obwohl alle vier Arbeitsgruppen 1934 fast gleichzeitig und unabhängig voneinander davon berichteten, gibt es doch Hinweise dafür, dass die Breslauer als erste das kristalline Hormon in Händen hielten: Eine entsprechende kurze Mitteilung wurde bereits 1931 von Fels veröffentlicht.
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme und dem „Berufsbeamtengesetz“ endeten die fruchtbare Zusammenarbeit der Breslauer Gruppe und Fraenkels Wirken für die deutsche Gynäkologie: Fels und Fraenkel wurden aufgrund ihrer jüdischen Abstammung entlassen; Slotta, der Fraenkels Tochter Maja geheiratet hatte, wegen seiner „nichtarischen“ Ehefrau. Alle drei wanderten nach Südamerika aus: Fels ging nach Buenos Aires (Argentinien), Slotta nach São Paulo (Brasilien) und Fraenkel 1936 auf Einladung des uruguayischen Gesundheitsministers nach Montevideo. Dort konnte der 67-Jährige seine Forschungen fortführen und erneut einen Schülerkreis um sich sammeln. Die Universität Montevideo verlieh ihm eine Ehrenprofessur.
Ludwig Fraenkel starb am 10. Juli 1951 während einer Europareise in Bad Ischl (Österreich). Wenige Monate zuvor, bei ihrem Kongress im April, hatte ihm die DGG die Ehrenmitgliedschaft zuerkannt. In seiner kurzen Laudatio ging der seinerzeitige Präsident, Heinrich Martius, mit keinem Wort auf das Emigrantenschicksal Fraenkels ein. Er bedauerte lediglich, dass der Ausgezeichnete entgegen einer ursprünglich geäußerten Absicht nicht am Kongress habe teilnehmen können und kündigte den Versuch an, ihm „im Laufe dieses Sommers sein Ehrendiplom persönlich“ zu übereichen. Ob es dazu kam, ist nicht bekannt.
Ausgewählte Publikationen
– Über die Behandlung der Ankylosen des Ellenbogengelenkes. Diss. med. Berlin 1892; – Die Function des Corpus luteum. Arch Gynak 1903, 68: 438–545; – Versuche über den Einfluß der Ovarien auf die Insertion des Eies. Verhandl d Dtsch Ges f Gynäk , 9. Versammlung, München u. a. 1901: 571. – Neue Experimente zur Function des Corpus luteum. Arch Gynak 1910, 91: 705–761; – Die normale und pathologische Physiologie der Menstruation. In: G.A. Wagner (Hg). Über die Ursache und Behandlung der unregelmäßigen Blutungen der Frau. Urban & Schwarzenberg: Berlin/Wien 1927: 54-82; – Sterilisierung und Konzeptionsverhütung. Arch Gynak 1931, 144: 86–132; – Zur Histo-Physiologie des Corpus luteum. Arch Gynak 1952, 181: 217–221
Gedruckte Quellen
GK 1928; GW 1956; Fischer/Voswinckel 2002; Simmer, Hans H.: The First Experiments to Demonstrate an Endocrine Function of he Corpus luteum. On the Occasion of the 100. Birthday of Ludwig Fraenkel (1870–1951). Part I and II. Sudhoffs Archiv 1971, 55: 392–417 sowie 1972, 56: 76–99; Medvei, Victor C.: The History of Clinical Endocrinology. Comprehensive Account of Endocrinology from Earliest Times to Present Day. 2. Ed., Parthenon Publishing: Casterton Hall/New York 1992, passim; Bettendorf, Gerhard (Hg). Zur Geschichte der Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Springer: Berlin 1995; 151-152; Frobenius, Wolfgang: Ludwig Fraenkel.„spiritus rector“ of the early progesterone research. Eur J Obstet & Gyn and Reprod Biol 1999, 83:115–119; Ludwig, Hans: Ludwig Fraenkel. „Das Corpus luteum ist eine Drüse innerer Sekretion“. Gynäkologe 2004, 6: 723–726; Rudloff, Udo/Ludwig, Hans. Jewish gynecologists in Germany in the first half of the twentieth century. Arch Gynec Obstet 2005, 272: 245–260; Ebert, Andreas D./David, Matthias. Das Born-Fraenkel’sche Gesetz – zur Erinnerung an Ludwig Fraenkel (1870–1951). Geburtsh Frauenheilk 2014, 74: 920–922; Dross F et al. „Wir können ihr Geschick nicht wenden“. Die jüdischen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie im Nationalsozialismus. Hentrich & Hentrich: Berlin/Leipzig 2020: 75-77
Internet
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Fraenkel
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Füth, Heinrich Clemens
geb. 11.01.1868, Werden a. d. Ruhr
gest. 21.08.1951, Köln
Franqué, Otto von
geb. 11.09.1967, Würzburg
gest. 11.04.1937, Schloß Kalkum bei Düsseldorf
Frigyesi, Joszef
geb. 14.06.1875, Kisvárda, Szabolcs-Szatmár-Bereg (Ungarn)
gest: 11.12.1962 Budapest (Ungarn)
Gaifami, Paolo
geb.16.06.1883, Como (Italien)
gest.14.03.1944, Rom (Italien)
Familie
V: Carlo Fontana
M: Teresa Fontana
∞ Barbara, geb. Rossi
Ausbildung
Schulbildung in Venedig, 1907 Abschluss des Studiums der Medizin und Chirurgie in Padua; in dieser Zeit Tätigkeit am Institut für pathologische Anatomie der Universität unter der Leitung von Augusto Bonome (1857-1922)
Akademische Karriere
1914 Privatdozent (Universität Rom); 1923 o. Prof. (Universität Sassari), 1924 o. Prof. (Universität Bari), 1935 o. Prof. (Universität Rom)
Weiterbildung und berufliche Karriere
Nach Abschluss des Studiums 1907 Volontär an der Universitätsfrauenklinik Rom unter der Leitung von Ernesto Pestalozza (1860-1934), ab 16.11.1910 dort fest angestellter Assistent; im Ersten Weltkrieg Militärarzt in Tarcento und Bologna; anschließend wieder Tätigkeit an der Universitätsfrauenklinik Rom; 1924-1935 Direktor der Universitätsfrauenkliniken in Sassari und Bari; 1935-1943 Direktor der Universitätsfrauenklinik Rom
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
1937 Ehrenmitglied
Vita
Paolo Gaifami, von 1935 bis 1943 Direktor der Universitätsfrauenklinik Rom (La Sapienzia), gehörte auf dem Höhepunkt seiner Karriere zu den einflussreichsten Frauenärzten Italiens. Er war Mitglied des nationalen Gesundheitsrates (Consiglio Superiore di Sanità), des nationalen Forschungsrates (Consiglio Nazionale delle Ricerche) sowie Mitarbeiter der nationalen Einrichtung zum Schutz von Mutter und Kind (Opera Nazionale Maternità e Infanzia, ONMI), die sich der Aufwertung der Mutterschaft „im Dienste der Zukunft der Rasse“ verschrieben hatte. Über zwei Amtsperioden übte er das Amt des Präsidenten der Italienischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie aus. Außerdem war er Vizepräsident der Liga für den Kampf gegen bösartige Tumore (Lega per la lotta contro i tumori maligni).
Das wissenschaftliche Werk Gaifamis ist breit gefächert und umfasst rund 300 Titel, darunter Handbuchbeiträge und mehrere Lehrbücher. Viele seiner Arbeiten befassten sich mit geburtshilflichen Themen – darunter Untersuchungen zur Chemie des Kolostrums und der Amnionflüssigkeit, zur vorzeitigen Plazentalösung sowie zur pathologischen Anatomie der intrauterinen Asphyxie und weniger häufiger Ursachen des Kindstodes. Außerdem diskutierte er die Frage der ärztlichen Verantwortlichkeit bei Wochenbettinfektionen, die obligatorische Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch und Möglichkeiten zum besseren Schutz der Mütter.
Gaifami hat zwar den größten Teil seiner beruflichen Tätigkeit in der Universitätsfrauenklinik Rom verbracht. Zwischenzeitlich war er jedoch auch in Süditalien tätig. Dort leistete er als Ordinarius an der neu gegründeten Universität Bari wichtige Aufbauarbeit: So initiierte er 1927 eine Poliklinik, deren Personal bei Notfällen in der Hausgeburtshilfe ausrücken und vor Ort Beistand leisten konnte. Weitere Initiativen waren 1930 die Einrichtung eines Entbindungsheims mit 24 Betten für bedürftige unverheiratete Frauen, einer Ambulanz für tuberkulöse Schwangere sowie einer eigenen Abteilung mit 12 Betten für diese Klientel.
Am 14. März 1944 kam Gaifami bei einem Luftangriff auf Rom ums Leben. Der italienische Staat würdigte sein Engagement mit zwei besonderen Auszeichnungen: 1938 verlieh man ihm den Orden der Krone Italiens, 1941 den Ordens der Heiligen Mauritius und Lazarus. Letzterer stellte damals die zweithöchste Auszeichnung des Landes dar.
Ausgewählte Publikationen
— Il comportamento istologico in gravidanza della mucosa della portio. Annali di ostetricia e ginecologia 1910, 31:1-118; — Il consulto medico obbligatorio prima di provocare un aborto. Clinica ostetrica 1929, 31: 650-653; — Della precipitazione e della incompetenza nei referti in tema di aborto. Clinica ostetrica 1933, 35: 358-371; — La responsabilità medica nella rottura dell‘utero in travaglio. Clinica ostetrica 1934; 36: 436-459; — Elementi di ginecologia: avviamento alla diagnosi e alla terapia ginecologica: per medici pratici e studenti. Pozzi: Rom 1927; — Prontuario di terapia ostetrica. Vademecum por il medico practico. Pozzi: Rom 1924; — Conversazioni e Lezioni Ostetrico-ginecologiche. Pozzi: Rom 1933
Gedruckte Quellen
Fischer, Isidor. Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Nachträge und Ergänzungen von Peter Voswickel, Band I (Abad–Komp). Olms: Hildesheim 2002. Alfieri E. Paolo Gaifami [Nekrolog] Annali di ostetricia e ginecologia 1944; 66: 3-1
Internet
https://www.treccani.it/enciclopedia/paolo-gaifami_(Dizionario-Biografico)
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Gauß, Carl Joseph
geb. 29.10.1875, Rittergut Lohne bei Hannover
gest. 11.02.1957, Bad Kissingen
Familie
V: Karl August Adolf Gauß;
M: Ana Johanna Sophie Charlotte, geb. Ebmeier
∞ 1919: Marlene, geb. Bingel, verw. Lindenberg (brachte zwei Kinder mit in die Ehe)
Ausbildung
1894 Abitur (Hameln); 1894–98 Medizinstudium (Tübingen, Erlangen, Kiel, Würzburg, München); 1899 Staatsexamen/Approbation (München)
Akademische Karriere
1898 Promotion (München); 1909 Habilitation (Freiburg i. Br.); 1912 a. o. Prof. (Freiburg i. Br.); 1923 o. Prof. (Würzburg); 1945 Amtsenthebung durch die US-Militärregierung
Weiterbildung und berufliche Karriere
1899/1900 Schiffsarzt; 1900/01 Volontärass. am Path.-Anat. Inst. Göttingen; 1901–04 Ass. an der UFK Berlin (Robert von Olshausen); 1904 chir. Volontärass. am KH Westend Berlin; 1904–22 Ass., später OA an der UFK Freiburg i. Br. (Bernhard Krönig/Erich Opitz); 1922 Leiter der Abt. für Geburtsh., Gyn. und Strahlenbehandlung am Diakonissenkh. Freiburg i. Br.; 01.05.1923–10.08.1945 Dir. der UFK Würzburg; 1945 Amtsenthebung durch die US-Militärregierung; 1949–56 Leiter der gyn.-geburtsh. Abt. des Elisabethkh. Bad Kissingen
NS-Organisationen
1933: NSDAP (01.05.), NSLB, NSKK, NSFK; 1934: NSDB, NSÄB; 1935: NSV; 1938: NS-Altherrenbund
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
Mitglied seit 1909, 1949 Ehrenmitglied
Vita
Carl Joseph Gauß, ein Urenkel des Mathematikers und Astronomen Carl Friedrich Gauß, gehört zu den Pionieren der gynäkologischen Strahlentherapie. Seine unter dem Direktorat von Bernhard Krönig (1863-1917) zusammen mit Hermann Lembcke (1984-1975) in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts an der Freiburger UFK durchgeführten Untersuchungen stellten einen Meilenstein in der Entwicklung der gynäkologischen Röntgentherapie dar. Sie wurden 1912 unter dem Titel „Röntgentiefentherapie – ihre theoretischen Grundlagen, ihre praktische Anwendung und ihre klinischen Erfolge“ als erster Sonderband der von Gauß mitbegründeten Zeitschrift „Strahlentherapie“ publiziert. 1914 führten die Bemühungen von Krönig, Gauß und Lembcke zur Gründung des „Radiologischen Institutes der Universität Freiburg“. Es handelte sich dabei um die erste derartige medizinische Forschungseinrichtung an einer deutschen Hochschule.
Im Mittelpunkt der Arbeit von Gauß stand zunächst die Behandlung von Myomen und hämorrhagischen Metropathien durch Radiomenolyse, wodurch die damals hohen Operationsrisiken vermieden werden sollten. Noch 1928 fragte er in einem Zeitschriftenbeitrag, ob sich die operative Therapie bei den genannten Indikationen „heute […] noch rechtfertigen“ lasse. Mit zunehmendem Bewusstsein für die potenziell teratogenen Effekte der Strahlentherapie verschob sich sein Fokus jedoch auf die Behandlung gynäkologischer Malignome, wobei neben Röntgenstrahlung Radionuklide (Radium, Mesothorium) zum Einsatz kamen. Auch die zunächst geübte „temporäre Sterilisation“ durch Röntgenstrahlen bei bestimmten Erkrankungen wie etwa der schweren Dysmenorrhoe wurde wieder aufgegeben, nicht jedoch die definitive Sterilisation durch Röntgenkastration.
Das wissenschaftliche Interesse von Gauß, der nach seiner Tätigkeit an der UFK Freiburg und einem kurzen Intermezzo am örtlichen Diakonissenkrankenhaus von 1923 bis 1945 Direktor der UFK Würzburg gewesen ist, beschränkte sich jedoch keineswegs auf die gynäkologische Radiologie. Sein eindrucksvolles Publikationsverzeichnis mit weit mehr als 400 Veröffentlichungen zeigt, dass er über die gesamte Breite des Fachgebietes und darüber hinaus tätig war. Susanne Wolf hat sich intensiv mit der Person und dem Werk von Gauß auseinandergesetzt. Danach beschäftigten sich über 100 seiner Arbeiten mit geburtshilflichen Themen, darunter Untersuchungen zur Beckenmessung und Schmerzbehandlung bei der Entbindung („Morphin-Skopolamin-Dämmerschlaf“, Lumbalanästhesie). Bereits Ende der 1920er Jahre setzte er sich für die Einführung eines Facharztes für Narkose und Anästhesie ein, die in Deutschland erst Anfang der 1950er Jahre realisiert wurde.
Bei seiner Tätigkeit beschränkte sich Gauß nicht auf die Theorie. Sein Werkverzeichnis weist zahlreiche praktische Verbesserungsvorschläge für medizinische Gerätschaften auf, darunter auch ein spezieller, zeitweise industriell gefertigter Narkoseapparat, dessen Prinzip sich allerdings auf die Dauer nicht durchsetzen konnte. Seine im Verlauf seiner Karriere erworbenen speziellen Kenntnisse zur architektonischen und funktionellen Gestaltung von Krankenhausbauten brachte er beim Neubau der UFK Würzburg ein, der Ende 1934/Anfang 1935 bezogen werden konnte. Die Klinik galt dann lange als die modernste Deutschlands.
In der DGG gehörte Gauß wie etwa August Mayer (1876-1968) zu den besonders konservativen Mitgliedern, die aus moralischen und bevölkerungspolitischen Gründen Abtreibungen sowie kontrazeptive Maßnahmen prinzipiell strikt ablehnten. Sie zählten aber auch zu den mehr oder weniger konsequenten Anhängern des eugenischen Antinatalismus, der Teil der breiten Diskussion Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war. Zumindest einige von ihnen, wie auch Gauß und Mayer, führten deshalb schon vor 1933 solcherart begründete Abtreibungen und Sterilisationen durch.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten hatte Gauß, der sich als überzeugter Parteigenosse präsentierte, deshalb offensichtlich keine Probleme damit, auch für die radikalen rassenhygienischen Ziele der neuen Machthaber einzutreten. Er wurde Mitglied zahlreicher NS-Organisationen und ließ im Eingangsbereich der Klinik eine Hitler-Büste aufstellen. 1935 setzte er sich in der „Münchener Medizinischen Wochenschrift“ u. a. mit dem Hinweis auf angeblich sehr hohe Komplikations- und Mortalitätsraten der operativen Zwangssterilisationen nach dem Gesetz zu Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) für die damals noch nicht legalisierte Strahlensterilisation ein und fiel deshalb zumindest zeitweise in Ungnade: Die Machthaber fürchteten, durch seine Kritik an den operativen Eingriffen könnte ihr eugenisches Programm diskreditiert werden und verhinderten einen Auftritt von Gauß auf dem damaligen Kongress der DGG.
Gauß setzte seine Bemühungen um die Strahlensterilisierung jedoch fort. Bedenken wegen der Kastrationsfolgen bei den betroffenen Frauen spielte er herunter. Schon ein Jahr später kam es dann tatsächlich zur Legalisierung dieser Methode. In der UFK Würzburg wurden unter der Ägide von Gauß zwischen 1934 und 1945 insgesamt 994 Zwangssterilisationen durchgeführt, darunter 111 Strahlenkastrationen; ferner 29 eugenische Abtreibungen sowie 148 Schwangerschaftsabbrüche bei „Ostarbeiterinnen“. Unter den sterilisierten Frauen haben sich Wolf zufolge auch Jüdinnen und „Zigeunermischlinge“ befunden. Eingriffe bei diesem Personenkreis waren nicht durch das GzVeN gedeckt und damit ebenso wie die Schwangerschaftsabbrüche bei „Ostarbeiterinnen“ auch im NS illegal.
Nach 1945 verweigerte sich der von den US-Militärbehörden amtsenthobene Gauß einer kritischen Auseinandersetzung mit seiner Rolle im Nationalsozialismus. Lediglich die Sterilisationen aus rassistischer Indikation bezeichnete er im Spruchkammerverfahren als „verwerflich“. Er habe diese Eingriffe verzögert und bei ihrer Durchführung „bewusst als reversibel“ angelegt, erklärte er zu seiner Rechtfertigung. Trotz vieler, auch hochkarätiger „Persilscheine“ blieben seine Bemühungen um vollständige Rehabilitation vergeblich. Die Spruchkammer verweigerte ihm eine vollständige Entlastung. Mit viel Mühe erreichte er zwar eine nachträgliche Emeritierung, die Wiederverleihung seiner akademischen Rechte wurde jedoch 1954 endgültig abgelehnt.
Ungeachtet aller Vorwürfe hat die DGG Gauß 1949 zum Ehrenmitglied ernannt. Zu seinem 80. Geburtstag 1955 erfreute er sich an seinem neuen Wirkungsort Bad Kissingen nochmals großer öffentlicher Anerkennung. Er leitete dort von 1949 bis 1956 die geburtshilflich-gynäkologische Abteilung des Elisabeth-Krankenhauses.
Ausgewählte Publikationen
– Neue radiotherapeutische Erfahrungen in der Gynäkologie auf Grund von 100 gutartigen Blutungen und Tumoren des Uterus. Zentralbl Gynäkol 35 (1911), 394–406. – (mit H. Lembcke). Röntgentiefentherapie. Ihre theoretischen Grundlagen,ihre praktische Anwendung und ihre klinischen Erfolge an der Freiburger Universitäts-Frauenklinik. Berlin/Wien 1912; – Die bisherigen Erfahrungen der klinischen Praxis mit der temporären Röntgenamenorrhoe. Zentralbl Gynäkol 45 (1930), 2852–2853. – Die Anwendung der Strahlenmenolyse bei der gesetzlichen Unfruchtbarmachung der Frau. MMW 82 (1935), 488– 492. – Zur Geschichte der gynäkologischen Strahlentherapie. Unwissenschaftliche Erinnerungen an ihren Anfang und Aufstieg. Strahlentherapie 100 (1956), 633–648. – (mit B. Wilde). Die deutschen Geburtshelferschulen. Bausteine zur Geschichte der Geburtshilfe. München-Gräfelfing 1956
Gedruckte Quellen
GK 1928; GK 1939; GW 1956, S. 191; Seidler, Eduard. Die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Grundlagen und Entwicklung.1. korr. Nachdruck. Springer: Berlin u.a. 1993; Frobenius, Wolfgang. Röntgenstrahlen statt Skalpell. Die Universitäts-Frauenklinik Erlangen und die Geschichte der gynäkologischen Radiologie von 1914–1945. Universitätsbund Erlangen: Erlangen 2003; Dietl, Johannes (Hg.). 1805-2005. 200 Jahre Frauenklinik und Hebammenschule Würzburg. Univ. Frauenklinik Würzburg: Würzburg 2005; Wolf, Susanne. Carl Joseph Gauß. Leben und Werk. Diss med Univ Würzburg 2008; Anthuber/Beckmann u. a. (Hg.): Herausforderungen (2012); Moser, Gabriele. Deutsche Forschungsgemeinschaft und Krebsforschung 1920–1970. Steiner: Stuttgart 2011; Frobenius: Ehrenmitglieder Teil 5 (2025)
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Guggisberg, Hans
geb. 03.02.1880, Bern
gest. 11.04.1977, Köniz (Schweiz)
Heynemann, Theodor Friedrich Ernst
geb. 20.08.1878, Lemgo
gest. 15.12.1951, Hamburg
Familie
V: Carl Ernst Wilhelm Heynemann, Apotheker und Landtagsabgeordneter
M: Maria Friederike, geb. Brüggemann
∞ 23.07.1941 Auguste Marie Tannrath
Ausbildung
1897 Abitur; ab SS 1897 Medizinstudium in Würzburg, München und Kiel; 1903 Staatsexamen und Approbation (Würzburg)
Akademische Karriere
1904 Promotion (Kiel); 1910 Habilitation (Halle/Saale); 1913 ao. Prof. (Halle/Saale); 1919 o. Prof. (Hamburg); 1926/27 Dekan der Medizinischen Fakultät Hamburg; 1950 Emeritierung
Weiterbildung und berufliche Karriere
1903/04 Path. Inst. des Allg. KH St. Georg Hamburg (Simmonds); 1904–06 Inn. Med. des Allg. KH St. Georg Hamburg (Jolasse); 1906/07 1. Chir. Abt. und Röntgeninst. des Allg. KH St. Georg Hamburg (Wiesinger, Albers-Schönberg); 1907–14 zunächst Ass., dann OA an der UFK Halle/Saale (Veit); 1914–18 Kriegsdienst; 1918/19 stellv. Dir. der UFK Halle/Saale; 2/1919 OA (Leiter) der gyn. Abt. des KH Barmbeck; ab 6/1919 Lehrstuhlinhaber für Gyn. (Hamburg) und Direktor der zur UFK aufgewerteten Frauenklinik Eppendorf; 1950 Emeritierung; bis 1951 Dir. der Frauenklinik im UK Hamburg-Eppendorf
NS-Organisationen
1933 NSLB; 1934 FM SS; 1935 NSV (ab 1936 Vertrauensarzt); 01.05.1937 NSDAP
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
Mitglied seit 1907; 1911-1913 stellv. Schriftführer; 1937–41 Beisitzer; 1949 Ehrenmitglied
Vita
Eigentlich lag ihm eine Hochschullaufbahn fern. Als praxisorientierter Gynäkologe strebte Theodor Heynemann nach seiner Ausbildung eine Chefarztposition in einer großen extrauniversitären Frauenklinik an. Die besonderen Umstände der Gründung der Universität Hamburg 1919 führten jedoch zu seiner Berufung auf den ersten dortigen Lehrstuhl für Frauenheilkunde. Als Ordinarius hat er dann die Frauenklinik im Krankenhaus Eppendorf in über 30jähriger Tätigkeit zu einer renommierten Hochschulklinik geformt und sich selbst große Anerkennung als Arzt, Hochschullehrer und Wissenschaftler erworben. Als er 1950 emeritiert wurde und im Jahr darauf die Klinikleitung an seinen Nachfolger übergab, hinterließ er eine große Zahl habilitierter Schüler, die ihrerseits Chefarztpositionen und einige Ordinariate besetzten. Unter den späteren Ordinarien befanden sich die beiden DGGG-Ehrenmitglieder Ludwig Nürnberger und Klaus Thomsen sowie Jürgen Plotz (1916-1990) und Gustav Haselhorst (1893-1953).
Christina Quellmann hat den Berufs- und Lebensweg von Heynemann sehr detailliert nachgezeichnet. Sie arbeitet in ihrer quellenreichen Biografie seine ursprünglichen beruflichen Intentionen und die Umorientierung nach dem unerwarteten Ruf auf den Hamburger Lehrstuhl heraus. Demnach blieben für Heynemann seine Patientinnen im Zentrum seiner Tätigkeit; gleichzeitig bemühte er sich aber mit großem Erfolg, den in ihn gesetzten Erwartungen in Forschung und Lehre gerecht zu werden.
In der DGG gehörte Heynemann zu den aktiven Mitgliedern. Er trat der Gesellschaft bereits 1907 als Jungassistent von Johann Veit (1852-1917) in Halle bei, wurde 1911 unter der Präsidentschaft seines Lehrers zum stellvertretenden Schriftführer gewählt und zeichnete in dieser Eigenschaft als Mitherausgeber der Kongressbände für das Jahr 1913 verantwortlich. 1937 bis 1941 gehörte er erneut dem Vorstand an. Heynemann hat viele der DGG-Kongresse mit Beiträgen bereichert. Bei der ersten Veranstaltung der Fachgesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er 1949 zum Ehrenmitglied ernannt.
Zu Beginn seiner gynäkologischen Karriere mit dem Ziel Habilitation und Professur als Basis einer erfolgreichen Bewerbung um einen Chefarztposten begann Heynemann bei Veit, sich intensiv in der Forschung zu engagieren. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand neben der Bakteriologie die damals noch in den Kinderschuhen steckende Radiologie. Bereits 1911 trat er – nun schon Oberarzt in Halle – beim DGG-Kongress in München mit einem Beitrag über „Klinisches und Experimentelles zur Röntgentherapie in der Gynäkologie“ auf. Weitere Publikationen zum Thema folgten bis 1920, darunter Beiträge für die neu gegründete Zeitschrift „Strahlentherapie“. Die Voraussetzungen für diese Forschungen hatte Heynemann vor Beginn seiner gynäkologischen Fachausbildung durch eine Assistenz bei dem Hamburger Röntgenpionier Heinrich Albers-Schönberg (1865-1921) erworben.
Insgesamt hat Heynemann nach einer Zählung von Quellmann 152 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, darunter fünf umfangreiche Beiträge in den wichtigsten zeitgenössischen Handbüchern des Faches. Dominierende Themen blieben nach Übernahme des Ordinariates geburtshilfliche und infektiologische Fragen. Vor allem in den Handbuchbeiträgen spiegelt sich das Bemühen Heynemanns, den wissenschaftlichen Fortschritt kritisch zu würdigen und auf seinen Wert für die Praxis zu überprüfen. Besondere Beiträge zur Entwicklung beispielsweise der Onkologie oder der operativen Gynäkologie hat er nicht geliefert. Als Hochschullehrer erfreute er sich wegen seiner Fähigkeit zur Vermittlung komplexer Sachverhalte großer Beliebtheit bei den Studierenden. Seinen Assistenten war er ein fordernder Vorgesetzter. Gleichzeitig entschuldigte er aber auch ihre burschenschaftlichen Exzesse.
Heynemann, selbst sein Leben lang dem Corps Nassovia eng verbunden, zählte zu den konservativen Hochschullehrern, die in der Weimarer Republik der nationalliberalen DVP angehörten. Einer Empfehlung, sich nach deren Auflösung 1933 der NSDAP anzuschließen, folgte er bis 1937 nicht. Gleichwohl ist er schon im Jahr der Machtübernahme dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) beigetreten. Im November 1933 gehörte er zu den Unterzeichnern des „Rufes an die Gebildeten der Welt“, der später als „Professorenbekenntnis“ zu Hitler und dem NS-Staat veröffentlicht wurde. 1934 wurde er förderndes Mitglied der SS und 1936 Vertrauensarzt der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), der er sich im Jahr zuvor angeschlossen hatte. Die Vertrauensärzte hatten durch Begutachtungen u. a. dafür zu sorgen, dass nur „erbbiologisch Gesunde“ in den Genuss von NSV-Fürsorgemaßnahmen kamen.
Wie viele seiner Kollegen stand Heynemann eugenischen Sterilisationen bereits in den 1920er Jahren aufgeschlossen gegenüber und befürwortete auf der Tagung der DGG im Jahr 1931 die Eingriffe „bei bestimmten Geisteskrankheiten und gewissen verbrecherischen Anlagen“. Nach dem Inkrafttreten des NS-Sterilisationsgesetzes (GzVeN) 1934 wurden auch in seiner Klinik Hunderte dieser Eingriffe durchgeführt, an denen Heynemann in einigen wenigen Fällen persönlich beteiligt war. Genaue Zahlen liegen nicht vor, da eine detaillierte Aufarbeitung der noch vorhandenen Krankenakten aussteht. Ebenso ist unklar, inwieweit die Klinik an eugenischen Schwangerschaftsabbrüchen nach dem GzVeN oder an rassistisch bzw. kriegswirtschaftlich motivierten Abtreibungen bei Zwangsarbeiterinnen aus dem Osten beteiligt war. Noch 1931 hatte Heynemann gegen eugenische Abbrüche Stellung bezogen: „Eugenik kann nicht durch Unterbrechung der Schwangerschaft, sondern nur durch ihre Verhütung betrieben werden.“, erklärte er vor der Geburtshilflichen Gesellschaft Hamburg.
Im April 1935 hatte Heynemann kein Problem damit, zusammen mit seiner damaligen Haushälterin und späteren Frau eine großbürgerliche Wohnung mit sieben Zimmern an der Rothenbaumchausssee zu beziehen, die zuvor von der Witwe des jüdischen Privatbankiers Paul Levy mit ihren beiden Kindern unter dem zunehmenden Verfolgungs- und Diskriminierungsdruck aufgegeben worden war. Die monatliche Kaltmiete von 260 Reichsmark wurde auf ein Sperrkonto der Witwe überwiesen. 1936 beschwerte sich Heynemann bei der Unterrichtsbehörde darüber, dass „der Zugang an eugenischen Sterilisierungen fast völlig aufgehört“ habe. Dies sei dem akademischen Unterricht zu diesem wichtigen Thema abträglich, erklärte er.
Trotz seines zumindest formalen Engagements für den Nationalsozialismus, das für viele seiner Kollegen nach dem Ende der Diktatur zumindest temporär zum Verlust ihrer Stellung führte, gehörte Heynemann zu den wenigen Professoren der Hamburger Medizinischen Fakultät, die schon kurz nach Kriegsende zur Wiedereröffnung der Universität im Amt bestätigt wurden. Dabei hat er sicherlich davon profitiert, dass die die britischen Militärbehörden bei der politischen Entnazifizierung der Hamburger Hochschulmediziner weniger rigoros vorgingen als Besatzer andernorts. Auch spielten Maßnahmen der „Rassenhygiene“ bei der Beurteilung keine Rolle. Im Vordergrund stand die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und der Hochschullehre.
Ausgewählte Publikationen
– Casuistische Beiträge Beiträge zur Kenntnis der Nagelerkrankungen. Diss med Univ Kiel 1904; – Die Bedeutung der hämolytischen Streptokokken für die Puerperalinfektion. Arch Gynak 1908; 86: 61-96; – Zur Methodik der Röntgenbestrahlung in der Gynäkologie. Strahlentherapie 1912; 1: 362-380; – Die diagnostische Verwertung der Röntgenstrahlen in der Geburtshilfe. Zschr Geburtsh Gynäk 1913; 73: 92-136; – Zur Eklampsiefrage. Zentralbl Gynäk 1920; 44: 812; – Entzündungen der Adnexe und des Beckenperitonieums. In: Josef Halban/Ludwig Seitz (Hrsg). Biologie und Pathologie des Weibes, Bd. 5, 1. Aufl., Berlin/Wien: Urban & Schwarzenberg 1924-1929, 20-98; – Die Tuberkulose der weiblichen Genitalien und des Beckenperitoneums. In: Johann Veit/Walter Stoeckel (Hrsg). Handbuch der Gynäkologie, 3., völlig neubearb. u. erw. Aufl., Bd. 8, 1. Teil. Bergmann: Berlin 1933, S. 179-465
Gedruckte Quellen
GK 1928, S. 111 f.; GK 1939, S. 185–187; Herr Heynemann-Hamburg [Diskussionsbeitrag]. Arch Gynak 1931; 44: 363-364; [Heynemann, Diskussionsbeitrag] Zentralbl Gynäk 1931; 55:1295; Garn, Michaela. Zwangsabtreibung und Abtreibungsverbot. In: Ebbinghaus, Angelika / Kaupen-Haas, Heidrun / Roth, Karl-Heinz (Hrsg). Heilen und Vernichten im Mustergau Hamburg. Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik im Dritten Reich. Konkret: Hamburg 1984, 37-40; Quellmann C. Theodor Friedrich Ernst Heynemann (1878–1951). Ein Leben für die Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. LIT Verlag: Münster, Hamburg, London 2002, 122; Pfäfflin F, Bussche Hvd. Die Zwangssterilisation Erbkranker. In: Bussche Hvd, Hrsg. Die Hamburger Universitätsmedizin im Nationalsozialismus. Reimer: Berlin, Hamburg 2014, 161; Guhl AF. Wege aus dem „Dritten Reich“. Die Entnazifizierung der Hamburger Universität als ambivalente Nachgeschichte des Nationalsozialismus. Wallstein: Göttingen 2019, 201; Batz, Michael. Das Haus des Paul Levy. Dölling u. Galitz: Hamburg 2021
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Hinselmann, Hans
geb. 06. 08.1884, Neumünster, Schleswig-Holstein
gest. 18. 04.1959, Hamburg-Othmarschen
Jaschke, Rudolf Theodor Edler von
geb. 17.08.1881, Pettau (Österreich)
gest. 30.12. 1963, Garmisch-Partenkirchen
Kaufmann, Carl (auch: Karl)
geb. 21.08.1900, Malmedy (Belgien)
gest. 18.08.1980, Köln
Kehrer, Erwin Karl Adolph
geb. 19.04.1874 Gießen
gest. 13.12.1959 Heidelberg
Kepp, Richard Kurt
geb. 07.02.1912, Hermannstadt (heute: Sibiu, Rumänien)
gest. 05.02.1948, Bremen
Kirchhoff, Heinz
geb. 04.06.1905, Wilhelmshaven
gest. 06.01.1997, Göttingen
Knörr, Karl
geb. 12.11.1915, Zeltingen (Mosel)
gest. 03.05.1996, ?
Kraatz, Helmut Willi Richard
geb. 06.08.1902, Wittenberg
gest. 13.06.1983, Berlin
Kupferberg, Heinz
geb. 12.08.1862, Mainz
gest. 12.06.1946, Mainz
Lunenfeld, Bruno
geb. 11.02.1927, Wien
Martius, Heinrich
geb. 02.01.1885, Berlin
gest. 17.02.1965, Göttingen
Mayer, August
geb. 28.08.1876, Felldorf, Lkrs. Horb
gest. 11.10.1968, Stuttgart
Menge, Karl [Carl] Gustav
geb. 18.08.1864, Bad Kreuznach/Rheinland Pfalz
gest. 09.10.1945, München
Moraes, Arnaldo de
geb. 28.08.1893, Rio de Janeiro (Brasilien)
gest. 06.04.1961, ebenda
Nürnberger, Ludwig
geb. 17.07.1884, Aschbach bei Bamberg
gest. 03.04.1959, München
Orcoyen, Jesus Garcia
geb. 17.01.1903, Estenoz (Navarra, Spanien)
gest. 25.05.1988, Madrid (Spanien)
Papanicolaou, George Nicholas
geb. 13.05.1883, Kymi (Euböa, Griechenland)
gest. 06.04.1961, Miami Beach (Florida, USA)
Schultze, Bernhard Sigmund
geb. 29.12.1827, Freiburg i. Br.
gest. 17.04.1919, Jena
Skutsch, Felix
geb. 14.01.1861, Königshütte, Oberschlesien (heute: Chorzów, Polen)
gest. 19.02.1951, Leipzig
Familie
V: Dr. Fedor Skutsch (1821-1897), prakt. Arzt
M: Johanna, geb. Sachs (1825-1906)
∞ 19.09.1897 Pauline Helene, geb. Friedenthal (1875-1944, KZ Theresienstadt)
Kinder: 1898 Walther Heinrich Fedor; 1900 Ilse Mathilde
Ausbildung
1879 Abitur (Breslau); Medizinstudium in Breslau (bis 1881), Leipzig (WS 1881/82), Freiburg i. Br. (SS 1882) und wiederum Breslau, dort Staatsexamen (WS 1883/84); 1884 Approbation
Akademische Karriere
1884 Promotion (Breslau), 1887 Habilitation (Jena), 1887 Privatdozent (Jena) 1891 ao. Prof. (Jena), 1905 Umhabilitation (Leipzig, 1923 ao. Prof. (Leipzig), 25.09.1933 Entzug der Lehrbefugnis, 06.10.1945 Wiedereinsetzung in seine Rechte als ao. Prof (Leipzig), 02/1946 bis 03/47 kommissarische Vertretung des Faches Frauenheilkunde in Leipzig für den suspendierten Ordinarius Robert Schröder, ab 7/1947 Lehrauftrag für Frauenheilkunde an der Universität Leipzig
Weiterbildung und berufliche Karriere
1884–1887 Ass. an der UFK Jena (Schultze); 1887–1891 Privatdozent an der UFK Jena;1891–1904 ao. Prof. an der UFK Jena (zusätzlich in privater Praxis tätig);1905 Wechsel nach Leipzig mit Umhabilitation; neben der Lehrtätigkeit Leitung der Abteilung Frauenkrankheiten in der Poliklinik der Med. Fakultät und ab 1908 zusätzlich Inhaber einer Privatklinik; 1933 erzwungene Aufgabe der Lehr- sowie der poliklinischen Tätigkeit und der Privatklinik; bis 1935 noch Praxistätigkeit in Leipzig; 1938 Entzug der Approbation, 1943 Deportation nach Theresienstadt, dort Arzt im KZ-Krankenhaus; 5/1945 Befreiung durch die Rote Armee
Mitgliedschaft/Funktionen in der DGG
1886 Gründungsmitglied, 1951 Ehrenmitglied (posthum)
Vita
Felix Otto Skutsch, langjährig Frauenarzt sowie Hochschullehrer in Jena und Leipzig, 1886 Gründungsmitglied der DGG und 1951 posthum zum Ehrenmitglied ernannt, hat als einziger von mindestens sieben jüdischen Angehörigen der Fachgesellschaft ein NS-Konzentrationslager überlebt. Schon kurz nach seiner Befreiung aus Theresienstadt durch die Rote Armee am 2. Mai 1945 kehrte er an die Stätten seines langjährigen Wirkens in Leipzig zurück. Dort wurde er ungeachtet seines Alters von 85 Jahren im Auftrag der Stadt erneut ärztlich tätig. Auf Antrag des von der sowjetischen Militäradministration wegen seiner NS-Mitgliedschaften zeitweise suspendierten damaligen Ordinarius Robert Schröder (1884-1959) erneuerte die Universität seinen Lehrauftrag und übertrug ihm dessen Vertretung. So war Felix Skutsch zu seinem 90. Geburtstag im Januar 1951 der älteste amtierende Professor Deutschlands. Die Universität ehrte ihn aus diesem Anlass mit einer Feierstunde im Hörsaal der Frauenklinik. 2014 ließ sie auf dem Leipziger Südfriedhof eine Ehrentafel für ihn errichten.
Die universitäre Feierstunde 65 Jahre nach seiner Promotion dürfte für Skutsch der Höhepunkt seiner akademischen Karriere gewesen sein, die trotz eines verheißungsvollen Starts mit sehr guten Examensnoten, einer „summa cum laude“-Promotion und rascher Habilitation schon in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts ins Stocken geraten war: 1903, nach der Emeritierung seines hoch geschätzten Lehrers in Jena, Bernhard Sigismund Schultze (1827-1919), blieb der erhoffte Ruf für dessen Nachfolge aus. Tief enttäuscht ging Skutsch deshalb nach Leipzig, betrieb dort eine Privatklinik und bemühte sich um seine Umhabilitation, die nach anfänglichen Schwierigkeiten mit Unterstützung des damaligen gynäkologischen Ordinarius Paul Zweifel (1848-1927) 1905 auch zustande kam. Trotz großen Engagements für die Lehre bedurfte es aber zweier Anläufe 1914 und 1923, um auch wieder die Professur zu erlangen.
Als Skutsch 1933 die Venia legendi entzogen wurde, war er bereits 72 Jahre alt. Er musste in der Folge seine Privatklinik aufgeben, verlor wie alle anderen jüdischen Ärzte 1935 die Kassenzulassung und 1938 auch die Approbation. Ein später Versuch zur Emigration – die beiden Kinder des Ehepaares Skutsch hatten das Land frühzeitig in die USA bzw. nach England verlassen – scheiterte 1941 am Auswanderungsverbot. Nach zahlreichen durch die Umstände bedingten Wohnungswechseln wurde das Ehepaar schließlich 1943 aus dem Leipziger „Judenhaus“ nach Theresienstadt deportiert. Skutsch überlebte dort, weil er in dem „Vorzeige-KZ“ der Nazis wie andere besonders verdiente Akademiker „Prominentenstatus“ genoss und sich als Arzt um Mithäftlinge kümmerte. Den Tod seiner Frau durch Hunger und Entkräftung im Januar 1944 konnte er freilich nicht verhindern.
Skutsch galt als sehr geschickter Operateur und leidenschaftlicher Hochschullehrer. Als er 1930 mit 68 Jahren emeritiert werden sollte, widersetzte er sich dem erfolgreich. Er hat mehrere Lehrbücher verfasst, die von Zeitgenossen sehr gelobt wurden. In den ersten beiden Dekaden nach der Gründung der DGG gehörte er mit zahlreichen Vorträgen und Diskussionsbeiträgen zu den aktiveren Mitgliedern der Gesellschaft. Mit seinen Publikationen trug er dazu bei, Ende des 19. Jahrhunderts dem konservativen Kaiserschnitt den Weg zu bereiten, der im Gegensatz zur damals oft ausgeführten Sektio nach Porro den Erhalt des Corpus uteri zum Ziel hatte. Von Skutsch stammt wohl auch der Terminus „Salpingotomie“ zur Beschreibung der operativen Wiedereröffnung verschlossener Tubenostien bei Hydrosalpinx.
1886, im Jahr seiner Habilitation, trat Skutsch zum evangelischen Glauben über. Ob er damit einem Rat seines Lehrers Schultze zur Förderung der akademischen Karriere folgte, ist unklar. Beim ersten Nachkriegskongress der DGG 1949 sprach Skutsch als letztes verbliebenes Gründungsmitglied und mit weitem Abstand ältester Tagungsteilnehmer das Schlusswort. Die ihm während der NS-Diktatur widerfahrenen Gräuel erwähnte er dabei nicht. Stattdessen erklärte er: „Möge die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie blühen und gedeihen und möge sie dazu beitragen, das Ansehen der Deutschen Wissenschaft in der Welt zu altem Glanze emporzuführen.“
Ausgewählte Publikationen
Skutsch F. Die Lacerationen der Cervix uteri, ihre Bedeutung und operative Behandlung. G. Fischer: Jena 1884 [Diss]; – Kaiserschnitt mit Uterusnaht. Arch Gynak 1886, 28: 131-143; – Die Beckenmessung an der lebenden Frau. G. Fischer: Jena 1887 [Habil Uni Jena]; – Operative Therapie der Tubenerkrankungen. Verh d Dtsch Gesell Gyn 1890, Breitkopf & Härtel: Leipzig 1890: 376–381; – Die Entstehung der Hämatocele. Arch Gynak 1905; 77: 99-126 [Habil. Uni Leipzig]; – Geburtshilfliche Operationslehre. G. Fischer: Jena 1901. – [Schlusswort beim 1. Nachkriegskongress der DGG 1949] Arch Gynak 1950, 178: 372-373
Gedruckte Quellen
GK 1928; GW 1956, S. 139; Walk, Joseph. Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918-1945. Herausgegeben vom Leo Baeck Institut, Jerusalem. München u.a. 1988: 346; Meier, Annerose. Lebensschicksal und wissenschaftliches Werk des Gynäkologen Felix Skutsch (1861–1951). Diss med Leipzig 1995; Kästner, Ingrid. Der Frauenarzt Prof. Dr. med. Felix Otto Skutsch (1861–1951). Ärzteblatt Sachsen 2013, 24: 486–48; Dross F/Frobenius W/Thum A. „Wir können ihr Geschick nicht wenden. Die jüdischen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie im Nationalsozialismus. Hentrich & Hentrich: Berlin, Leipzig 2020, 231-234
Internet
https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Skutsch
Wolfgang Frobenius/Fritz Dross
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Tapfer, Siegfried
geb. 09.07.1900, Neumarkt, Südtirol (Italien)
gest. 27.03.1981, Innsbruck, Tirol (Österreich)
Runge, Hans
geb. 18.04.1892, Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern)
gest. 16.10.1964, München
Schröder, Robert
geb. 03.08.1884, Rostock
gest. 13.10.1959, Leipzig
Seitz, Ludwig
geb. 24.05.1872, Pfaffenhofen an der Roth
gest. 19.06.1961, ebenda
Stieve, Hermann
geb. 22.05.1886, München
gest. 06.09.1952, Berlin
Stoeckel, Walter
geb. 14.03.1871, Stobingen bei Insterburg (Ostpreußen)
gest. 12.02.1961, Berlin
Taylor, Howard Channing
geb. 17.02.1900, New York City, USA
gest. 22.03.1985, ebenda
Wagner, Georg August
geb. 23.09.1873, Prag
gest. 15.08.1947, Garmisch-Partenkirchen
Westmann, Axel
geb. 29.12.1894, Stockholm (Schweden)
gest. 29.05.1960, ebenda